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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Kapitel
    Der Jammer mit dem Morgen ist, dass er so früh vor dem Mittag kommt.
    Oh, was würde ich darum geben, noch eine Stunde im Bett zu bleiben. Ich habe nicht mehr als zwei Stunden geschlafen.
    »Gemmai« Ann rüttelt mich. Sie ist hübsch herausgeputzt in ihrer ordentlichen Schuluniform mit weißer Bluse, weißem Rock und Schnürstiefeln. Wie hast du das geschafft? »Du hast verschlafen!«
    Ich reibe mir die Augen und setze widerwillig meine Füße auf den kalten, abweisenden Fußboden. Selbst der Boden ist nicht bereit aufzuwachen. Ich stöhne demonstrativ.
    »Ich habe dir deine Kleider bereitgelegt.« Mein Rock und meine Bluse sind ordentlich über das Fußende meines Bettes gebreitet. »Ich dachte, deine Strümpfe suchst du dir lieber selbst.« Sie errötet, als sie das sagt. Arme Ann. Wie ist es möglich, dass sie blutrünstige Geschichten der grausigsten Art genießen kann, aber über durchgescheuerte Fersen fast in Ohnmacht fällt? Ich trete dem Anstand zuliebe – Anns Anstand, um genau zu sein – hinter den Wandschirm und ziehe mich rasch an.
    »Gemma, war es nicht wundervoll, wieder im Magischen Reich zu sein, die Magie zu fühlen?«
    Die vergangene Nacht fällt mir wieder ein – die Entdeckung des Tors, die Freude, die Magie. Trotzdem überschattet das Gespräch mit der Medusa wegen des Bündnisses meine Stimmung. Und ich kann das Unbehagen über mein Versprechen, das ich Pippa gegeben habe, nicht abschütteln.
    »Ja, wundervoll«, sage ich, während ich meine Bluse zuknöpfe.
    »Du scheinst nicht sehr glücklich darüber zu sein«, sagt Ann.
    Langsam fasse ich mich. Schließlich ist es uns gelungen, das Magische Reich wieder zu betreten. Die Sorge wegen Philon und seines Clans darf mir mein Glücksgefühl nicht rauben. Und Pippa zu helfen ist das einzig Ehrenhafte, was eine Freundin tun kann. Und nun, wo die Magie zurückgekehrt ist …
    Ich trete hinter dem Wandschirm hervor und nehme Anns Hände. »Vielleicht gibt es einen neuen Anfang für uns«, sage ich zu ihr. »Vielleicht ist es gar nicht deine Bestimmung, als Gouvernante zu arbeiten.«
    Ann ringt sich ein Lächeln ab. »Aber, Gemma«, sagt sie, nervös an ihrer Unterlippe kauend, »ich habe nur ein klein wenig Magie übrig. Sie ist sehr schwach. Hast du …?«
    Ich fühle in mir eine kribbelige Aufgedrehtheit, als hätte ich mehrere Tassen starken schwarzen Tee getrunken. Ich schließe die Augen und fühle, was Ann fühlt. Hoffnung mit unterschwelligem Neid. Ich sehe sie, wie sie sich selbst sehen möchte: schön, bewundert, als eine gefeierte Sängerin, im Rampenlicht.
    Mit Ann geht eine feine Veränderung vor. Ihre Nase ist nicht rot wie sonst und läuft nicht, wie sie es normalerweise tut. Ihr Haar ist glänzender und ihre Augen scheinen ein bisschen blauer. Ann betrachtet sich im Spiegel. Was sie sieht, entlockt ihr ein Lächeln.
    »Es ist nur der Anfang«, verspreche ich.
    Jemand klopft an unsere Tür und stößt sie auf, ohne auf Antwort zu warten. Es ist Martha.
    »Hier seid ihr!«, ruft sie und wirft Ann zwei gefältelte weiße Dinger zu. Ann fängt sie auf und wirft sie mir zu.
    »Was ist das?«, frage ich und halte die Dinger hoch, die sich als lange, mit Rüschen besetzte Pumphosen entpuppen.
    »Zum Radfahren natürlich!«, schreit Martha. »Habt ihr es nicht gehört?«
    »Nein, haben wir nicht«, sage ich und hoffe, dass meine Gereiztheit offenkundig ist.
    »Heute Morgen gibt es keinen Französischunterricht. Inspektor Kent ist gekommen und hat uns Fahrräder mitgebracht! Drei Stück. Der Inspektor wartet draußen, um uns allen das Fahren beizubringen! Fahrräder! Der Goldschatz!« Damit stürmt sie durch den Gang davon.
    »Bist du schon einmal Rad gefahren?«, fragt Ann.
    »Nein, noch nie«, sage ich und beäuge die Pumphosen. Ich frage mich, was peinlicher sein wird – das Radfahren oder das Kostüm.
    *
    Die anderen Mädchen sind schon vor dem Schulgebäude versammelt, als Ann und ich ankommen. Wir sind nach der neuesten Radfahrmode gekleidet – lange Pumphosen, eine Bluse mit Keulenärmeln und Strohhüte. In der Pumphose komme ich mir wie eine Ente vor. Aber wenigstens bin ich nicht so verklemmt wie Elizabeth, die vor Schamhaftigkeit kaum gehen kann.
    Sie versteckt sich jammernd hinter Cecily und Martha. »Ich, ich kann nicht! Sie sind unschicklich! Unanständig!«
    Felicity packt Elizabeth an der Hand. »Und absolut notwendig, wenn du Rad fahren willst. Ich finde, sie sind eine wesentliche Verbesserung gegenüber der

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