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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Visionen erzählen nicht immer eine Geschichte, die ich verstehe. Aber ich denke, die Frau aus meiner Vision könnte tot sein.«
    »Tot? Wirklich?«, fragt Ann mit einer Atemlosigkeit, die ihren Sinn fürs Makabere verrät. »Wie kommst du darauf?«
    »Weil ich gesehen habe, wie sie aus der Themse gezogen wurde, ertrunken.«
    »Ertrunken«, wiederholt Ann mit einem wonnigen Schauder des Entsetzens.
    Wir nähern uns der Kapelle, deren Tür offen steht. Kerzenlicht setzt die Glasfenster flackernd in Szene und erweckt sie scheinbar zum Leben.
    »Um welche Zeit treffen wir uns?«, flüstert Felicity, als wir die Tür erreichen.
    Ich drehe mich weg. »Nicht heute Nacht. Ich bin viel zu müde vom Radfahren. Ich brauche Schlaf.«
    »Aber, Gemma!«, protestiert Felicity. »Wir müssen zurück! Pippa erwartet uns.«
    »Wir gehen morgen Nacht«, sage ich und zwinge mich zu einem Lächeln, obwohl mir bei dem Gedanken, was ich mir vorgenommen habe, ganz schlecht ist.
    Felicitys Augen schwimmen in Tränen. »Endlich können wir wieder dorthin und du willst uns unser Glück vorenthalten.«
    »Fee …«, beginne ich, aber sie dreht mir den Rücken zu und mir wird klar, dass ich ihnen zugestehen muss, mich heute Nacht zu hassen, obwohl es schwer zu ertragen ist.
    Plötzlich bringt der helle Schein von Laternen den Wald zum Tanzen. Die Zigeuner sind gekommen; Kartik ist unter ihnen und ich kann mich kaum zurückhalten, seinen Blick zu suchen.
    »Was ist hier los? Was soll das?«, fragt Mrs Nightwing streng. Neugierig strömen die Mädchen aus der Kirche und versammeln sich an der Tür, obwohl Mademoiselle LeFarge sie dringlich auffordert hineinzugehen. Genauso gut könnte sie im Regen Hühner zusammentreiben.
    »Wir bewachen den Wald«, erklärt Ithal. In seinem Gürtel steckt eine Pistole.
    »Aus welchem Grund, wenn ich fragen darf?«, braust Mrs Nightwing auf.
    »Mutter Elena gefällt nicht, was sie fühlt. Mir gefällt nicht, was ich sehe.« Er deutet zum Lager der Arbeiter hinüber.
    »Es wird keinen Ärger zwischen Ihnen und den Männern von Mr Miller geben«, sagt Mrs Nightwing in herrischem Ton. »Spence war Mutter Elena immer freundlich gesinnt. Aber treiben Sie es nicht zu weit.«
    »Wir bieten Schutz«, versichert Ithal, aber Mrs Nightwing lässt sich nicht umstimmen.
    »Wir brauchen keinen derartigen Schutz, das versichere ich Ihnen. Gute Nacht.«
    Kartik legt eine Hand auf Ithals Schulter und spricht in Romani zu ihm. Dabei schaut er kein einziges Mal zu mir herüber. Ithal nickt. Schließlich gibt er seinen Männern ein Zeichen.
    »Wir gehen«, sagt er und die Zigeuner kehren in den Wald und zu ihrem Lager zurück.
    »Unsinn. Absoluter Schwachsinn. Schutz! Der obliegt meiner Pflicht und ich denke, ich bin damit ziemlich gut vertraut«, knurrt Mrs Nightwing. »Zum Gebet, Mädchen!«
    Mrs Nightwing und Mademoiselle LeFarge scheuchen uns in die Kapelle. Ich werfe einen letzten Blick in den Wald. Die Männer entfernen sich, ihre Laternen brennen kleine Löcher in die abendliche Dunkelheit. Dann sind sie fort, alle bis auf einen. Kartik ist noch da. Er steht lautlos hinter einem Baum und wacht über uns.

13. Kapitel
    Ich überlege, es nicht zu tun. Eine gute Stunde lang ringe ich mit dem Gedanken. Ich stelle mir die Gesichter von Felicity und Ann vor, wenn wir das nächste Mal ins Magische Reich gehen und Pippa einfach verschwunden ist. Ich frage mich, wie die Fabrikmädchen ohne sie zurechtkommen werden. Ich weiß nicht, ob es das Richtige ist, aber ich habe es versprochen, also muss ich es tun.
    Ich warte, bis Anns Schnarchen sich vertieft, dann schleiche ich die Treppen hinunter und hoffe, nicht von Brigid, Mrs Nightwing, Felicity oder jemand anderem entdeckt zu werden. Im Schatten des Ostflügels lege ich meine Hand an das geheime Tor. Es nimmt flimmernd Gestalt an und ich stehle mich allein ins Magische Reich, den ganzen Weg im Laufschritt zurücklegend.
    Pippa wartet an der Brombeerhecke. »Du bist gekommen«, sagt sie und ich weiß nicht, ob Erleichterung oder Angst aus ihrer Stimme spricht. Vielleicht beides.
    »Ja.«
    »Fee wird es nie erfahren«, sagt Pippa, als lese sie meine Gedanken.
    Wir nehmen den Weg zum Garten und zum Fluss. Ich habe keine Ahnung, was ich tun muss. Gibt es irgendetwas, was ich sagen sollte – ein Gebet oder ein Zauberwort? Wenn ja, dann kenne ich es nicht. Ich schließe für einen Moment die Augen und sage lautlos: Bitte. Bitte hilf meiner Freundin Pippa.
    Hinter einem hohen Büschel

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