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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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»Müssen wir mit diesem zu groß geratenen Ziegenbock fahren?«
    Ich seufze. »Was bleibt uns anderes übrig?«
    »Was ist, wenn sie das Bündnis jetzt gleich schließen wollen, bevor wir richtig die Gelegenheit hatten, irgendetwas zu verändern?«, fragt Ann und ich weiß, dass sie dabei an ihre Zukunft denkt.
    »Es geht nur um ein Gespräch«, erkläre ich ihnen. »Es ist noch nichts entschieden. Die Magie gehört immer noch uns.«
    »Dann ist’s ja gut«, sagt Felicity. »Aber bitte, lass uns nicht lange bleiben. Und ich will nicht neben diesem Creostus sitzen. Er ist widerlich.«
    *
    Wir segeln den Fluss hinunter und ignorieren Creostus und seine Zentauren so gut es geht, obwohl sie jede unserer Bewegungen beobachten, als könnten wir über Bord springen. Schließlich nimmt die Medusa Kurs auf die Insel, wo das Waldvolk, Philons Clan, zu Hause ist. Ein Schleier aus schimmerndem Wasser verbirgt die Insel vor Blicken. Das Schiff zerteilt den flüssigen Vorhang und wir tauchen durch einen frischen, kühlen Nebel, der unsere Haut mit einer Glitzerschicht überzieht und uns in goldene Mädchen verwandelt. Das grüne Ufer des Walds der Lichter kommt in Sicht, so samtig und einladend wie ein Federbett. Als unser wuchtiges Schiff anlegt, hören einige der Waldkinder auf zu spielen und kommen näher, um mit offenem Mund das furchterregende Wunder der Medusa zu bestaunen. Die Medusa ist darüber nicht entzückt. Sie dreht sich den Kindern zu und lässt die Schlangen auf ihrem Haupt sich winden, zischen und züngeln, sodass deren gegabelte Zungen rot in all dem Grün aufblitzen. Die Kinder laufen schreiend weg und suchen Deckung im Schutz der Bäume.
    »Das war nicht sehr nett von dir«, schimpfe ich. Ich bin immer noch zornig, dass sie Philon unsere Anwesenheit verraten hat.
    »Freches Gesindel«, sagt die Medusa mit ihrer klebrigen Stimme. »Um nichts besser als Kröten.«
    »Es sind nur Kinder.«
    »Mich plagt kein Mutterinstinkt«, knurrt sie. Damit legen sich die Schlangen zur Ruhe. Die Medusa schließt ihre Augen und sagt nichts mehr.
    Die schwebenden, tanzenden Lichter, die den Wald bevölkern, winken uns, ihnen zu folgen. Sie führen uns durch hohe Bäume, die nach Weihnachten riechen. Der würzige Duft bewirkt, dass meine Nase läuft. Schließlich erreichen wir die strohgedeckten Hütten des Dorfes. Eine Frau von der Farbe dämmerigen Zwielichts schleppt Eimer voll Wasser vorbei, das schillert wie ein Regenbogen. Kaum hat sie meine Aufmerksamkeit erregt, verwandelt sie sich in mein eigenes Spiegelbild.
    »Gemma!«, ruft Ann.
    »Wie hast du das gemacht?«, frage ich die Erscheinung. Es ist merkwürdig, doppelt zu sein.
    Sie lächelt – mein Lächeln auf einem anderen Gesicht! – und verwandelt sich abermals, diesmal in eine genaue Replik von Felicity, mit den gleichen vollen Lippen und dem gleichen hellblonden Haar.
    Felicity findet das überhaupt nicht komisch. Sie hebt einen Stein auf. »Lass das sofort sein oder es wird dir leidtun.«
    Die Frau schlüpft in ihr eigenes dämmerfarbenes Selbst zurück. Mit einem gackernden Lachen nimmt sie ihre Eimer und geht.
    Philon begrüßt uns am Ende des Dorfes. Ein Wesen, weder Mann noch Frau, sondern irgendetwas dazwischen, mit einem langen, mageren Körper und dunkel-purpurfarbener Haut. Heute trägt Philon einen Mantel aus sattgrünen Frühlingsblättern. Ihr leuchtender Farbton bringt das Grün seiner mandelförmigen Augen zur Geltung.
    »Du bist also endlich gekommen, Priesterin. Ich hatte schon angefangen zu glauben, du hättest uns vergessen.«
    »Ich hatte euch nicht vergessen«, murmle ich.
    »Ich bin froh, das zu hören, denn es wäre schlimm, wenn wir denken müssten, dass du nicht besser bist als die Priesterinnen des Ordens, die vor dir da waren«, sagt Philon, einen Blick mit Creostus tauschend.
    »Ich bin gekommen«, sage ich.
    »Halten wir uns nicht mit gegenseitigen Freundlichkeiten auf«, knurrt Creostus.
    Wir folgen Philons biegsamer, anmutiger Gestalt in die niedrige strohgedeckte Hütte, wo wir uns das erste Mal begegnet sind. Sie ist genauso, wie ich sie in Erinnerung habe: Der Fußboden aus goldenem Stroh ist mit kostbaren Matten ausgelegt. In dem Raum befinden sich noch vier weitere Zentauren und ein halbes Dutzend Waldbewohner. Ich sehe weder Ascha noch sonst jemanden von den Unberührbaren, aber vielleicht sind sie auf dem Weg hierher.
    Ich nehme auf einer der Matten Platz. »Da war eine Frau, die sich vor meinen Augen in mich verwandelt hat.

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