Kartiks Schicksal
sollten uns um uns selbst kümmern!«
Neela starrt mich an. »Sie wird uns betrügen, wie es die anderen getan haben. Wer weiß, ob sie nicht schon einen Pakt mit dem Orden geschlossen hat.«
»Nyim syatt! « Philons Stimme dröhnt so laut, dass die Hütte erzittert.
Alle sind wie vom Donner gerührt. Creostus zieht den Kopf ein. Philon stößt eine große Rauchwolke aus und richtet seine katzenartigen Augen auf mich. »Du hast versprochen, die Zauberkraft mit uns zu teilen, Priesterin. Widerrufst du dein Versprechen?«
»Nein, natürlich nicht«, sage ich, aber ich bin nicht mehr sicher. Ich fürchte, ich habe zu früh vertraut und zu viel versprochen. »Ich erbitte mir nur ein wenig Zeit, um das Magische Reich und meine Pflichten besser verstehen zu lernen.«
Neela lacht höhnisch. »Sie erbittet sich Zeit, um sich gegen uns zu verschwören.«
Creostus stellt sich neben mich. Er ist groß und einschüchternd.
»Ich kann euch anbieten, die Magie vorübergehend mit euch zu teilen«, sage ich, um sie zu besänftigen. »Ein Geschenk als Zeichen meines guten Willens.«
»Ein Geschenk?«, knurrt Creostus und bringt sein Gesicht nahe an meines. »Das ist nicht dasselbe, wie sie zu besitzen! Müssen wir dich um Magie bitten wie einst den Orden?«
»Ich gehöre nicht zum Orden!«, sage ich zitternd.
Philons Blick ist kühl. »Das behauptest du. Aber es wird immer schwerer, den Unterschied zu erkennen.«
»Ich … ich wollte nur helfen.«
»Wir wollen keine Hilfe von dir«, faucht Neela. »Wir wollen unseren gerechten Anteil. Wir wollen endlich über uns selbst bestimmen.«
Philon hält meinem Blick stand. »Wir wollen mehr als eine Kostprobe, Priesterin. Tu, was du tun musst. Wir geben dir Zeit …«
Neela fährt auf. »Aber, Philon …«
»Wir geben dir Zeit«, wiederholt Philon und sieht Neela scharf an. Sie rutscht an die Seite von Creostus und wirft uns allen finstere Blicke zu. »Aber ich will am Ende nicht der Geprellte sein und leer ausgehen, Priesterin. Ich habe eine Verpflichtung gegenüber meinem Volk. Wir werden bald wieder zusammentreffen – als Freunde oder als Feinde.«
*
»Du hast doch wohl nicht vor, mit diesen schrecklichen Geschöpfen gemeinsame Sache zu machen, nicht wahr?«, fragt Felicity, während wir durch die hohen Bäume zum Strand hinuntergehen, wo die Medusa wartet.
»Was kann ich machen? Ich habe ihnen mein Wort gegeben.« Und jetzt tut es mir leid. Meine Gedanken sind so umwölkt wie der Horizont und meine Bewegungen sind langsam. Ich atme den wohltuenden Geruch der Bäume ein, um meinen Kopf von Philons schwerem Pfeifenrauch freizubekommen.
»Haben sie wirklich Menschen fortgezaubert?«, fragt Ann. Sie liebt solche makaberen Geschichten über alles.
»Grässlich«, sagt Felicity gähnend. »Sie verdienen es nicht, an der Magie teilzuhaben. Sie werden sie nur missbrauchen.«
Ich bin in einer schrecklichen Zwickmühle. Wenn ich mich nicht mit Philon verbünde, mache ich mir das Waldvolk und dessen Anhänger zu Feinden. Wenn ich die Magie mit ihnen teile, erweisen sie sich möglicherweise als unzuverlässig.
»Gemma.«
Diese sanfte Stimme habe ich lange nicht mehr gehört. Mein Herz fällt ins Bodenlose. Da auf dem Weg und in ihrem blauen Kleid steht meine Mutter. Sie breitet ihre Arme aus.
»Gemma, Liebling.«
»Mutter?«, flüstere ich. »Bist du’s?«
Sie lächelt strahlend. Das Lächeln wird zu einem Lachen. Die Gestalt verändert sich, verwandelt sich und ich starre auf Neela. Sie kichert in ihre langen, halmartigen Finger.
»Gemma, Liebes.« Es ist die Stimme meiner Mutter, die aus diesem widerlichen Wesen spricht.
»Warum tust du das?«, schreie ich.
»Weil ich es kann«, sagt sie.
»Wage nicht, es nochmals zu tun«, zische ich.
»Was dann?«, spottet Neela.
Magie kribbelt in meinen Fingern. Innerhalb weniger Sekunden rast sie durch mich wie ein angeschwollener Fluss und mein ganzer Körper bebt unter ihrer gewaltigen Kraft.
»Gemma!« Felicity legt ihre Arme stützend um mich. Ich kann die Magie nicht zurückhalten. Ich muss sie herauslassen. Meine Hand sinkt auf ihre Schulter und die Magie fließt ohne Vorwarnung, ohne Kontrolle in Felicity. Meine Freundin wechselt ein ums andere Mal die Gestalt: Sie ist eine Königin, eine Walküre, eine Kriegerin im Kettenhemd. Sie fällt, nach Atem ringend, auf allen vieren ins weiche Gras.
»Fee! Bist du in Ordnung?« Ich stürze zu ihr, berühre sie jedoch nicht. Ich fürchte mich davor.
»Ja«, stößt sie
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