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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Mauer, die das Grundstück umgab, lagen noch Schneereste. Sie klingelten, warteten, klingelten erneut. Keine Antwort. Sie hörten Geräusche, dann sahen sie, wie sich jemand durch die Dunkelheit bewegte. Sie riefen »Hallo«, doch niemand antwortete. Mike drückte auf die schmiedeeiserne Klinke des Einfahrtstores, es ließ sich öffnen. Sie ließen den Wagen draußen; sie hatten keine Berechtigung, das Grundstück zu betreten, geschweige denn zu befahren.
    Die Villa, das Haupthaus, war dunkel. Gegenüber im ehemaligen Stall brannte schwaches Licht. Die Tür war angelehnt. Mike rief hinein, ob jemand da sei. Es blieb still, bis auf ein Geräusch, das aus einem angrenzenden Raum kam. Mike trat durch die Tür, Wallner folgte ihm. Der Geruch von Holz und alten, modrigen Mauern schlug ihnen entgegen. Im Licht einer einzelnen Glühbirne standen alte Schränke und Anrichten, Kommoden und Stühle unterschiedlicher Stilrichtungen, teilweise mit Tüchern abgedeckt, teils ungeschützt. Viele Stücke waren restaurierungsbedürftig. Es roch nach Holzspänen. Wallner sah sich um. »Hier ist das Mädchen erschossen worden?«
    Mike wies auf eine Stelle am Boden. Sie war immer noch etwas dunkler als die Umgebung. »Da hat sie gelegen. Bauchschuss mit Schrot. Kannst dir vorstellen, wie das ausschaut.«
    Wallner verwandte nicht zu viel Phantasie darauf. Sie verstummten für einen Moment und nahmen hinter der Tür zum nächsten Raum erneut ein schabendes Geräusch wahr. »Da ist doch was«, sagte Wallner.
    »Dem Klang nach tät ich auf Hausbock tippen.«
    »Hausbock?«
    »Die Larven machen so ein sägendes Geräusch, wenn s’ dir deinen Dachstuhl wegfressen. Mir ham s’ grad im Haus. Des is vielleicht a G’schiss.« Man hörte hinter der Tür einen metallischen Gegenstand zu Boden fallen.
    »Die arbeiten mit Werkzeug?«
    »Ist vielleicht doch wer anders. Lass uns nachschauen«, sagte Mike und ging zu der Tür. In diesem Moment zerriss ein Schuss die Stille, ließ das Fenster splittern und zerfetzte die Rückenlehne eines Bauernstuhls, der, einen halben Meter von Mike entfernt, auf einem Arbeitstisch stand. Ein zweiter Schuss traf die Glühbirne. Es wurde finster. Wallner und Mike warfen sich auf den Boden.
    »Du hast nicht zufällig a Waffe dabei?«, fragte Mike leise.
    »Ich bin im Urlaub, du Spaßvogel. Was ist mit dir?«
    »Ich bin so gut wie im Feierabend. Ich hätt nicht gedacht, dass ich noch eine brauch.«
    Der dritte Schuss machte einer Empire-Teekanne den Garaus. Der Henkel landete auf dem Holzboden vor Wallners Gesicht. Er betrachtete das Stück in der Dunkelheit. »Der Bursche hat auch vor gar nichts Respekt. Ist das unser Zeuge?«
    »Unwahrscheinlich. Unser Zeuge restauriert alte Möbel. Da macht man so was doch net, oder?«
    Ein kalter Luftzug kam von der Tür zum Hof. Sie stand einen Spaltbreit offen. Der Lauf einer Jagdbüchse schob sich durch den Spalt.
    »Polizei! Lassen Sie die Waffe fallen«, rief Mike dem Gewehr zu. Der folgende Schuss riss nur wenige Zentimeter von Wallner entfernt ein Loch in die Holzdielen. Wallner und Mike flüchteten auf den Knien hinter einen Bauernschrank, der ausweislich seiner Bemalung aus dem Jahr 1834 stammte, aber keine Rückwand mehr besaß. Der nächste Schuss stanzte ein Loch in die Schranktür, bevor er hinter Wallner und Mike im Wandverputz stecken blieb. Anschließend hörte man ein ratschendes Geräusch. Wallner fingerte sein Handy aus der Jacke. »Was wird das denn?«, flüsterte Mike.
    »Ich dachte, wir könnten ein bisschen Hilfe gebrauchen.«
    »Bis die da ist, samma tot. Vor allem, wenn der Kerl das Display aufleuchten sieht.«
    »Du hast auch an allem was zu meckern.« Wallner steckte das Handy wieder in die Jacke zurück. Sie hörten Schritte auf dem Holzboden. Wallner spähte durch das Loch in der Schranktür und sah im fahlen Gegenlicht die Silhouette eines großen Mannes mit Pudelmütze und Gewehr im Anschlag. »Und jetzt?«, fragte Wallner.
    »Hast des Geräusch nach dem Schuss gehört?«
    »Er hat nachgeladen?«
    »Exakt. Des is a Repetierer«, sagte Mike. »Wir müssen ihn nach dem nächsten Schuss erwischen, bevor er nachladen kann.«
    »Guter Plan. Du bist im Dienst. Du gehst zuerst raus.« Durch das Loch sah Wallner, wie der Unbekannte den Gewehrlauf anhob und auf den Schrank zielte. Wallner warf sich auf Mike, als der Schuss ein zweites Loch in die Schranktür riss. Den Bruchteil einer Sekunde später sprangen beide Männer auf und stürzten in Richtung des

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