Karwoche
ließ Manfred nicht zu. Den guten Fisch wollte er nicht von unkundigen Händen zubereitet wissen. Immerhin durfte Vera den Salat machen, Wallner den Wein entkorken. Ein wenig machte sich Wallner Sorgen, denn der Geschmackssinn seines Großvaters hatte altersbedingt nachgelassen, und er neigte zum Überwürzen. Zum Glück gab es nicht viel zu würzen, der Fisch hatte einen wunderbaren Eigengeschmack, und man musste nur darauf achten, dass er saftig blieb. Und das gelang Manfred hervorragend.
»So schaut das also aus, wenn ihr zwei in den Urlaub fahrt«, sagte Manfred, als man zusammen am Tisch saß.
»Na ja, ich musste wegen der Geschichte mit dem Kreuthner nach Miesbach, und die Vera hatte noch was in München zu erledigen. Ist halt dumm gelaufen.«
»Jetzt schiebt er’s auf dich«, sagte Manfred und legte seine Hand auf Veras Arm, so dass sie die Gabel mit dem Fischbissen nicht zum Mund führen konnte. »Dabei will er bloß net, dass der Mike in dem Mordfall ohne ihn ermittelt.«
»Suchst du gerade Verbündete? Ich meine, ich könnte auch sagen: So sieht das aus, wenn du zu deinem Bruder fährst.«
»Falsch. So schaut das aus, wenn man mich zu meinem Bruder abschieben will.«
»Abschieben? Jetzt schlägts aber dreizehn! Wir haben das doch gemeinsam beschlossen. Gut, vielleicht habe ich gefragt, ob du nicht über Ostern nach Villingen fahren willst, wo wir nicht da sind. Aber es war letzendlich deine Entscheidung.«
»Weil du gesagt hast, du tätst dir Sorgen machen, wenn ich so lang allein bin im Haus.«
»Ja, mach ich mir auch. Aber das hab ich nicht gesagt, um dich unter Druck zu setzen.«
Er sah hilfesuchend zu Vera.
»Du wolltest Manfred sicher nicht unter Druck setzen«, sagte sie. »Aber vielleicht hat er sich irgendwie verpflichtet gefühlt, weil er nicht wollte, dass du dir im Urlaub Sorgen machst.«
»Hast du dich verpflichtet gefühlt?«
»Mei …« Manfred pulte eine Gräte aus einem Stück Fisch.
»Echt? Entschuldigung. Das hab ich so nicht gesehen.«
»Ich hab mir gedacht, ich sag einfach ja, damit mir net ewig diskutieren müssen.«
»Das heißt, du wolltest nie wirklich fahren?«
Manfred schwieg und suchte nach weiteren Gräten.
»Hattest du von Anfang an vor, in München umzudrehen?«
»Ja, Herrschaft! Ich kann ganz gut amal a Wochenende allein sein.«
»Ich hab gedacht, gerade an Ostern wär’s schöner, wenn du bei deiner Familie bist.«
»Ich bin noch net so alt, dass du mir’s Denken abnehmen musst.«
»Tja – tut mir leid, dass ich dich um ein sturmfreies Wochenende gebracht hab.«
»Viel Unterschied is eh net. Bist ja die ganze Zeit bei der Arbeit.«
Wallner hatte Manfred eigentlich noch fragen wollen, was es mit Jana Kienlechner auf sich hatte. Doch um die Stimmung nicht weiter zu belasten, nahm er davon Abstand. Der Rest des Essens verlief eher schweigsam, zumal auch Vera heute nicht die Gesprächigste war.
»Das tut mir wirklich leid«, sagte Wallner, als er mit Vera im Arm im Bett lag. »Ich dachte, er würde gerne zu seinem Bruder fahren. Wie kommt das zu so einem Missverständnis?«
»Ich glaube, du projizierst deine eigenen Wünsche auf Manfred.
Du
wolltest, dass er nach Villingen fährt, damit du kein schlechtes Gewissen haben musst. Fragt sich, warum du ihn nicht die paar Tage allein lassen wolltest. Du kannst doch mal in den Urlaub fahren. Dafür hat Manfred mit Sicherheit Verständnis.«
»Was glaubst du, warum ich das nicht wollte?«
»Ich denke, du hast ein ungutes Gefühl, wenn du nicht alles unter Kontrolle hast. Ich meine, das ist ja auch irgendwo der Grund, weshalb du jetzt ständig im Büro herumhängst und Mike auf die Finger siehst. Mal ganz ehrlich.«
»Nein, das mache ich nicht. Ich … ich gehe ganz anderen Spuren nach, um die er sich ohnehin nicht kümmern kann.«
»Mike kann sich um alles kümmern. Er ist der Leiter der SoKo. Der kriegt das hin.«
»Ja, kann sein, dass ich … ich sag mal, die Gelegenheit genutzt habe, um mich da ein bisschen einzumischen, nachdem du ja mit Edith in München zu tun hattest … Aber wir können immer noch fahren.«
»Nein, können wir nicht. Morgen ist schon Samstag. Außerdem ist schlechtes Wetter am Gardasee.«
Wallner schwieg eine Weile. Auch Vera schien ihren Gedanken nachzuhängen.
»Du bist wahrscheinlich nur deswegen so viel in München, damit ich mich hier ungestört wichtigmachen kann, oder?«
Vera ließ sich Zeit mit der Antwort. »Nein. Aber … ich weiß, dass du mit dem Kopf
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