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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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unterhaltsame Bescherung gesorgt hatte. Dem einen oder anderen Weihnachtsgast, der nicht mit den Usancen der Familie vertraut war, fuhr ein wenig der Schreck in die Glieder bei dem, was er da zu hören bekam.
    Während Katharina die Geschenke aufbaute, musste die Familie in der Wohnküche warten, deren Ausmaße einem mittelgroßen Restaurant genügt hätten. Dieter humpelte auf Henry und Jennifer zu.
    »Du hast hoffentlich keine Geschenke mitgebracht«, bellte er Jennifer an.
    »Nur Kleinigkeiten. Henry hat gemeint, mit Büchern kann man nichts falsch machen.«
    »Das ist richtig. Du darfst bloß nichts reinschreiben. Sonst kann man sie nicht weiterverschenken.«
    Man hörte von irgendwoher ein schmatzendes Geräusch. Kurz darauf kam Bewegung in die Wartenden. Die Unruhe klärte sich schnell: Othello hatte die Küche verlassen, um sich in der Lobby auf den hundert Jahre alten Perserteppich zu übergeben. Jetzt stand er vor dem breiigen Haufen und blickte ratlos auf die Umstehenden.
    »Hat er was Falsches gegessen?«, fragte Henry.
    »Leni hat ihn mit Zimtsternen gefüttert«, sagte Adrian. »Kein Wunder, dass er kotzt.«
    »Ich hab ihm zwei Zimtsterne gegeben. Davon kotzt er nicht.«
    »Du hast ihm den ganzen Teller hingestellt. Ich hab’s doch gesehen.«
    »Entschuldige. Ich wusste nicht, dass ich überwacht werde.«
    »Ich hab zufällig hingesehen, okay? Was wird denn das wieder für ein Gezicke?«
    »Ich sage nur: Das kommt nicht von den Zimtsternen. Vielleicht findet er einfach die ganze Veranstaltung hier zum Kotzen.«
    Wolfgang trat einen Schritt auf Leni zu. »Kleines – komm. Nicht an Weihnachten.« Er nahm ihre Hand. Sie ließ es geschehen, atmete aber schwer.
    »Warum bleibst du, Herrgott noch mal, nicht weg, wenn du unsere Familie zum Kotzen findest?« Adrian wurde lauter.
    »Weil ich mir von dir nicht vorschreiben lasse, wann ich kommen darf!«, schrie sie zurück.
    Wolfgang hielt Leni davon ab, sich auf Adrian zu stürzen. Inzwischen war Jennifer mit Küchentüchern gekommen, um Othellos Haufen wegzuwischen.
    »Lass das!«, sagte Leni. »Das soll gefälligst jemand anderer machen.«
    »Es macht mir nichts aus. Ich bin das gewohnt.«
    »Es ist aber nicht dein Hund.« Sie nahm Jennifer die Tücher aus der Hand und hielt sie Adrian hin. »Hier. Du hast noch kein einziges Mal seine Scheiße weggeräumt. Heute ist ein guter Tag, um damit anzufangen.«
    »Ich hab die Töle aber nicht mit Plätzchen gefüttert. Mach’s selber weg!«
    »Wo er recht hat, hat er recht«, sagte Dieter. Er hatte sich zu dem Brei auf dem Teppich hinuntergebeugt und stocherte mit einem Finger darin herum. »Vom Gefühl her würde ich sagen: Zimtsterne. Eindeutig lässt sich das freilich nur am Geschmack erkennen. Möchte jemand Gewissheit?«
    »Hör auf! Das ist ekelhaft.« Leni verzog angewidert ihr Gesicht. »Warum stehst du eigentlich nie auf meiner Seite? Egal, worum es geht, du ergreifst immer Partei für die anderen.«
    »Hängt vielleicht mit dem Zeug zusammen, das du von dir gibst. Natürlich: Man kann jedem in die Fresse hauen und dann erwarten, dass alle einen liebhaben. Kann man. Ich kann aber auch mal überlegen, woran das liegt, wenn die anderen Probleme mit mir haben. Dafür müsste man eventuell sein egozentrisches Weltbild überprüfen. Okay. Ist nicht jedermanns Sache. Aber dann verlang nicht, dass ich auf deiner Seite stehe.«
    »Ich denke, wir sollten jetzt aufhören.« Wolfgang war zwischen Vater und Tochter getreten. »Ich will die Diskussion nicht um jeden Preis abwürgen. Aber da können wir auch morgen drüber reden. Mit etwas weniger Alkohol im Kopf. Einverstanden?«
    Dieter besann sich kurz und bemerkte den Hund, der fragend zu ihm aufblickte. Das schien ihn zu besänftigen. »Tut mir leid, Leni. Nimm’s nicht persönlich.«
    »Gott bewahre. Ich hab mich nie angesprochen gefühlt.« Lenis Blick war weiterhin feindselig.
    »Dein Onkel hat gesagt, wir sollen aufhören.«
    »Na gut.« Sie reichte ihm die Hand, er schlug ein.
    Wolfgang sah zu Adrian. Der gab sich einen Ruck und ging einen Schritt auf seine Schwester zu. »Gib mir mal das Küchentuch.«
    In der Tür stand Katharina. »Warum kommt denn keiner? Ich habe schon mehrfach geläutet.«
     
    Die Familie musste sich noch einmal in der Küche versammeln, noch einmal verschwand Katharina hinter der Tür zum Salon. Und noch einmal klingelte sie mit dem silbernen Glöckchen. Alle waren bemüht, die Form zu wahren. Und so ging es im Gänsemarsch in den

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