Kasey Michaels
betrunken.“
„Nein,
leider nicht.“ Fitz kniff ein Auge zu. „Aber ich wär's gern.“
„Ja, Sir,
Captain, ich verstehe“, sagte Phineas. Hungrig beäugte er Rafes noch
beinahe volle Schüssel. „In diesem Fall, da man mir befahl, seine Gnaden auf
keinen Fall mehr aus den Augen zu lassen, sobald ich ihn gefunden hätte, empfänden
Sie es als aufdringlich, wenn ich mich Ihnen zum Essen zugesellte, Captain? Ich
muss sagen, dieser Eintopf riecht köstlich.“
1. Kapitel
Charlotte Seavers war auf dem Kriegspfad, und
der Begriff Gnade kam gerade in ihrem Wortschatz nicht vor – sie hegte
Mordgedanken! Noch vor ein paar Minuten hatte sie friedlich und warm im Kleinen
Salon ihres Elternhauses gesessen, heißen Tee geschlürft und durchs Fenster
den Anblick der vom Novemberraureif überzuckerten Bäume genossen.
Doch dann
war mit der Morgenpost ein Brief für sie gekommen. Sie hatte das Schreiben
geöffnet, es ungläubig und ahnungsvoll gelesen, bis ihre selige Ignoranz sich
zu gerechtem Zorn wandelte, der sie ohne weiteres Nachdenken aus dem Haus
stürzen ließ.
„Diese
verflixten Schwindler! Diese elenden kleinen Biester!“, stieß sie
hervor, wobei ihre Zähne vor Kälte klapperten, denn sie hatte sich in der Hast
den ersten besten Umhang umgeworfen, ein schäbiges Ding, das sie sonst zur
Gartenarbeit trug. „Die können sich glücklich schätzen, wenn ich sie nicht umbringe!“
Empört
stapfte sie den ausgetretenen, von Bäumen gesäumten Pfad entlang, der vom
Anwesen ihrer Eltern bis zur Auffahrt von Ashurst Hall führte. „Und was bin ich
für ein Riesendummkopf, dass ich ihnen geglaubt habe!“
Worauf Miss
Charlotte Seavers sich bezog, war nach Monaten der zuvor erwähnten seligen
Ignoranz die Entdeckung, dass Nicole und Lydia Daughtry – vermutlich eher
erstere, denn Lydia pflegte ihrer energischen Zwillingsschwester meist einfach
widerspruchslos zu folgen – sie gewaltig hinters Licht
geführt hatten, und nicht nur sie.
Seit dem
Frühjahr, als Rafael Daughtrys Nachricht gekommen war, dass er wohlauf sei und
vom Tod seines Onkels und seiner Cousins wisse, hatten Nicole und Lydia ihn,
ihre Tante Emmaline und sie selbst hintergangen.
Oh, und
natürlich Mrs Beasley. Was allerdings kein großes Kunststück war, da die
Zwillinge jahrelange Übung darin hatten, ihre Gouvernante zu narren.
In ihrem
Eifer, den Daughtry-Zwillingen das Fell über die Ohren zu ziehen, rutschte sie
auf einem Häufchen nasser Blätter aus und fiel hin. „Verflixt und zugenäht!
“, stieß Charlotte hervor, rappelte sich hastig auf und klopfte Moos und
welke Blätter von ihrem Umhang, wobei sie umhersah, ob auch niemand ihren
undamenhaften Ausruf gehört hatte.
Um sich zu
beruhigen, atmete sie ein paar Mal tief ein; immerhin war sie eine
wohlerzogene, kultivierte junge Dame, und hier brach sie nun durchs Gebüsch wie
ein wilder Eber.
Aber als
Charlotte daran dachte, wie Nicky und Lydia den ganzen Sommer und Herbst hindurch
Briefe gefälscht hatten – an die Tante geschickte Briefe, angeblich vom
Bruder; Briefe, die sie ihr zu lesen gegeben hatten, und sie, sie hatte den
Inhalt geglaubt, während sich die beiden zweifellos über ihre Leichtgläubigkeit
ins Fäustchen gelacht hatten.
Und
schlimmer noch, sie wäre immer noch um kein Deut klüger, wenn sie nicht vorhin
jenen Brief von Emmaline bekommen hätte, dessen Handschrift so ganz anders war
als die in den Schreiben, die die Zwillinge ihr zu lesen gegeben hatte, vom
widersprüchlichen Inhalt ganz zu schweigen.
Endgültig
war ihr Argwohn jedoch erwacht, als sie gelesen hatte: „Charlotte, ich schwöre
dir, manchmal scheint mir, Rafe wäre Nicky in Hosen, so miserabel ist seine
Rechtschreibung. Das
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