Kasey Michaels
sich,
Nicole im Arm, rücklings aus dem Fenster. Sie schrie gellend und ließ den Arm
des Mannes los.
Rafe, der
vorgestürzt war, gelang es, Nicole bei den Beinen zu fassen und festzuhalten,
damit jedoch auch Hobart, der nicht abließ von seiner Beute. Die beiden
Menschen hingen halsbrecherisch weit über dem Fenstersims. Hobart ließ den
Dolch fallen und verkrallte sich förmlich mit beiden Händen in Nicole.
Wie
erstarrt stand Charlotte da. Sollte sie schießen? Sie hatte noch immer die
Pistole. Doch mit ihren Zielkünsten stand es nicht zum Besten, wie sie genau
wusste. Oft genug hatte Rafe sie damit geneckt. Sie würde vielleicht Nicole
treffen.
Nicole hing
gefährlich weit aus dem Fenster, und nun begann auch noch der morsche Rahmen
knirschend nachzugeben. Rafe spürte, dass er sie nicht mehr lange würde festhalten
können, zu schwer war selbst für ihn das Gewicht der beiden Menschen. Zwar
hatte er sich, um nicht vornüber gezogen zu werden, auf die Knie geworfen, doch
entglitten ihm nach und nach die von seidenen Röcken umhüllten Beine des
Mädchen. Schon hielt er Nicole nur noch bei den Knöcheln.
Sollte es
so enden? Nein! Eine letzte verzweifelte Anstrengung! Wie mit Schraubzwingen
umklammerte er Nicoles Fußknöchel und riss ruckartig, flog rückwärts zu Boden
und spürte ihren Körper schmerzhaft auf sich aufprallen. Gleich zeitig drang ein
Entsetzensschrei von draußen herauf. Ein Blick zum Fenster – Hobart war fort.
Heftig
umfing Rafe seine Schwester und drückte ihren Kopf an seine Brust. Sie war in
Sicherheit!
In diesem
Moment hallten draußen im Flur Schritte, Tanner Blake stürzte förmlich ins
Zimmer und rief noch im Laufen: „Was ist passiert?“, rief er aufgeregt.
„Mr Hobart
hat sich entschieden, uns zu verlassen“, erklärte Charlotte so ruhig und
gelassen, als spräche sie nur eine Einladung zum Tee aus. „Wir haben bei der
Entscheidung ein klein wenig nachgeholfen.“
Epilog
ie Zwillinge waren unzertrennlich, ob sie im
Garten spazieren gingen oder die Köpfe über einem Buch oder Spiel zusammensteckten.
Die langen Sommertage gingen ruhig dahin und brachten Heilung.
Charlotte
sorgte sich nicht mehr um die Mädchen. Die letzten Ereignisse hatten sie über
ihr Alter hinaus reifen lassen. Im Dezember wurden sie achtzehn, und wenn sie
dann im kommenden März wieder nach London reisten, stand außer Zweifel, dass
sie für ihre erste Saison gerüstet waren.
Zwar
fürchtete Charlotte manchmal, dass Lydia sich zu sehr im Hintergrund halten
könnte und Nicole vielleicht ihr Vorhaben wahrmachen würde, mindestens ein
Dutzend Herzen zu brechen, trotzdem würde sie die Mädchen voller Stolz der
Gesellschaft vorstellen.
Dann würden
sie selbst und Rafe, als Duchess und Duke of Ashurst, wie es sich für gute
Vormünder gehörte, Dinnergesellschaften und Bälle und Picknicks geben und
höchst respektabel auftreten ... und anschließend würden sie sich in ihre
Gemächer zurückziehen und einfach ein liebendes Paar sein, Freunde, Liebhaber,
Ehegatten.
Das Gleiche
erhoffte sie sich für Nicole und Lydia.
Wie sie da
träumend am Fenster des Morgenzimmers saß, kam ein Lakai herein und brachte die
erste Post. Träge blätterte sie die Briefe durch, doch als sie auf einen mit
der charakteristischen Handschrift Emmalines stieß, sprang sie auf und eilte
zum Arbeitszimmer ihres Gatten, den sie an seinem Schreibtisch fand, Papier vor
sich und die Feder in der Hand.
„Ha,
Charlie!“, stieß er hervor. „Komm her, ich ...“
„Was immer
du tust, lass dich kurz stören“, unterbrach sie ihn. „Emmaline hat nämlich
geschrieben.“
„Ah, dann
ist das Kind da?“
„Ich weiß
es nicht, ich dachte, wir lesen den Brief gemeinsam.“ Sie hockte sich
neben ihren
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