Kasey Michaels
schrubbte Charlotte sich die Blumenerde von den Händen
und zog sich ihr Reitkleid an. Ein wilder Ausritt sollte ihr den Kopf klären.
Sie wehrte
die Begleitung des Reitknechts ab, versprach aber, auf eigenem Land zu bleiben
oder höchstens noch auf Ashurst-Gebiet. Da der Groom wusste, dass er mit
Charlottes Stute nicht würde mithalten können, nickte er nur und half seiner
jungen Herrin in den Sattel.
Bis
Charlotte den Hof hinter sich hatte und außer Sicht des Hauses war, ließ sie
Phaedra im Schritt gehen, erst dann spornte sie das temperamentvolle Tier zum
Galopp an. „Los, Phaedra!“, drängte sie, sich tief über den Pferdehals
beugend, und die Stute spannte spürbar die starken Muskeln und schoss förmlich
vorwärts.
Genüsslich
atmete Charlotte die scharfe kalte Novemberluft ein, die all die wirren,
trübsinnigen Gedanken fortblies.
Die
niedrige Hecke, die Rose Cottage von Ashurst Hall trennte, kam näher und näher,
doch Phaedra schien nur noch schneller zu werden und nahm das Hindernis mit
elegantem Schwung.
„Braves
Mädchen“, rief sie dem Pferd gegen den Wind zu. „Willst auch fliegen, was?
Ja, fliegen wir fort, weit, weit fort!“
Noch eine
Hecke und noch eine weitere, erst dann zügelte Charlotte das Tier, zögernd nur,
bis es trabte und schließlich zum Schritt wechselte. Als sie umherschaute,
musste sie feststellen, dass sie sich Ashurst Hall weiter genähert hatte, als ihr
angenehm war.
„Komm,
altes Mädchen“, murmelte sie, „kehren wir heim.“ Inzwischen war ihr
Kopf freier geworden, doch nun galt es, sich zu überlegen, wie es weitergehen
sollte, denn vor ihren Sorgen konnte sie nicht wirklich davonlaufen, so
verlockend die Vorstellung war.
Sie
erreichte das erste niedrige Gatter und lenkte Phaedra dicht heran, um die
Seilschlaufe zu lösen, die es verschloss, zögerte jedoch, als sie Hufschläge
vernahm. Als sie sich umwandte, sah sie Rafe auf seinem Wallach herangaloppieren.
Ihr wurde ein wenig flau, sie wusste selbst nicht, warum. Aufregung, weil sie
nicht mit ihm zusammentreffen wollte? Oder weil sie ihn treffen wollte?
Hatte sie etwa in der Hoffung diese Richtung eingeschlagen? Sie konnte sich,
was die Beantwortung solcher Fragen anging, nicht einmal mehr selbst trauen.
So
ansehnlich war er, wie er da groß und aufrecht im Sattel saß, die Augen von der
Hutkrempe überschattet, sodass sie den Ausdruck darin nicht erkennen konnte.
Freute er sich, sie zu sehen? Oder brannte er immer noch darauf, sie auszufragen,
und würde hier draußen, wo niemand sonst war, die Gelegenheit nutzen, auf
Antwort zu drängen?
Dazu war
sie nicht gerüstet. Würde sie nie sein. Hastig löste sie die Schlaufe, bereit
zur Flucht. Mit dem Ausdruck der Enttäuschung im Blick ihres Vaters hatte sie
zu leben gelernt, doch sie glaubte, es nicht ertragen zu können, diese Enttäuschung
in Rafes Augen zu lesen.
„Warte,
Charlie“, rief er ihr zu. „Ich bin auf dem Weg zu euch, deinen Eltern
einen Besuch abstatten. Reiten wir zusammen weiter.“
Seufzend
verschloss Charlotte das Gatter wieder. Schließlich konnte sie nicht ewig vor
Rafe davonlaufen. Sie wartete, bis er neben ihr angekommen war, dann sagte sie:
„Ich möchte dich bitten, Besuche vorerst aufzuschieben. Meiner Mutter geht es
nicht gut.“
„Immer noch
diese elende Erkältung?“, fragte er, während er nun selbst die Schlaufe an
dem Pfosten löste und sein Pferd durch
das Gatter trieb.
„Äh, ja,
ja, genau“, beeilte Charlotte sich zu sagen, lenkte Phaedra durch das Tor
und wartete, während Rafe es wieder verschloss. „Aber ich werde ihr sagen, dass
du nach ihr gefragt hast, danke.“
„Bitte tu
das. Ich hatte euch eigentlich eine Einladung zum Dinner überbringen wollen.
Ihr wäret meine ersten Gäste. Ich weiß, ich
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