Kasey Michaels
gewesen wäre, hätte ich sie weggeschickt und dich noch angefeuert.“
Schwach
lächelnd sagte Rafe: „Das ist mir klar, und dann wären wir beide gehängt
worden. Im Endeffekt bin ich dadurch an mein Offizierspatent gekommen. Der
Duke kaufte es mir gleich am nächsten Tag, und am übernächsten verließ ich Ashurst
Hall. Ich habe weder ihn noch Harold oder George je wiedergesehen.“
„Weißt du
was, Rafe? Ich denke, jetzt verstehe ich, warum ich in all den Jahren kaum
etwas über deine Verwandten gehört habe. Nur eines: Verstehe ich richtig, dass
der Duke dich für die Prügel belohnte, die du seinem Sohn verpasst
hattest?“
„Nein,
nicht ganz so. Ich war jung und ein Hitzkopf. Als ich erfuhr, dass die Ställe
häufig als Harolds Spielplatz fungierten, warnte ich ihn, ich würde seinen
Sohn wirklich umbringen, wenn ich ihn je wieder dabei erwischte, wie er ein
Frau misshandelte. Mein Onkel muss mir wohl geglaubt haben, wusste aber, dass
Harold von seinem widerlichen Tun nicht ablassen würde, egal, ob die Frau
willig war oder nicht. Im Übrigen versicherte der Duke mir, dass das ja für
einen gesunden jungen Mann auch nichts Ungewöhnliches wäre und das Mädchen es
vielleicht sogar genösse. Stirb da draußen oder werde endlich erwachsen, waren
die Worte meines Onkels. Für ihn war nämlich ich im Unrecht. Harold hatte
nur getan, was Männer – vor allem von höherem Stand – eben mit Frauen tun, die
von ihnen abhängig sind.“
„Was
brutale Dreckskerle tun! Dieser Bastard! Kann Charlotte das von ihrem
Verlobten gewusst haben, was meinst du?“
Aufseufzend
antwortete Rafe: „Wie soll ich das wissen? Doch es war ein offenes Geheimnis,
dass Harold und George voll und ganz ihrem Vater nacheiferten. Du sagtest
Bastard? Niemand weiß, wie viele illegitime Daughtrys – auch Mädchen – es in
der Umgebung von Ashurst Hall gibt. Auf diverse hat meine Mutter mich
hingewiesen, mit der Mahnung, ich sollte bloß nicht versehentlich eines davon
heiraten; sie wollte keine schwachsinnigen Enkel.“
„Nun ja,
mein Freund“, meinte Fitz schließlich, „ich weiß wirklich nicht, was ich
dazu sagen soll, oder was du hören möchtest. Aber mir scheint, dass du von
deiner Freundin aus Kindertagen irgendwie enttäuscht bist. Oder?“
„Du hast
wohl recht. Sie gab zu, dass es eine Vernunftsehe gewesen wäre. Der Besitz
ihres Vaters gegen ihre Absicherung und die Stellung in der Gesellschaft.
Keine Liebesheirat. Ich ... vielleicht war ich nur überrascht ... schockiert,
dass Charlie zu einer Frau herangewachsen war, die sich ... ach, lassen wir
das.“
„... sich
verkauft, um eines Tages vielleicht Duchess zu werden? Immerhin stand nur
George im Wege. Derartigen Ehrgeiz
findet man oft bei Frauen.“
„Nein, das
ist es nicht.“ Grübelnd starrte Rafe seinen Freund an. Plötzlich fiel es
ihm wie Schuppen von den Augen. „Ashurst Hall! Sie machte es wegen Ashurst
Hall! Nicht Titel oder Besitz! Wegen der Leute, der Arbeiter, damit die
Sägemühle sicherer ausgestattet wird und die Dächer der Pächter geflickt werden
und so was! Ist sie verrückt geworden?“
„Ich möchte
keine Vermutungen über Charlottes Geisteszustand anstellen, aber über deinen
schon. Bei dir haben sich, glaube ich, gerade ein paar Schrauben gelockert,
mein Freund. Keine Frau heiratet, um einen Besitz verwalten zu können.“
„Richtig,
dafür hätte sie nicht Harold, sondern meinen Onkel heiraten sollen. Er hätte
das Land bekommen, hinter dem er so her war, und sie hätte Ashurst Hall zum
Spielzeug bekommen ...“
„Rafe,
entweder trinkst du zu viel oder zu wenig, auf jeden Fall lässt dein Zustand
dich nicht sehr klar denken, finde ich. Ich finde außerdem, dass du, wenn du
Charlottes Motive bezüglich dieses
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