Kasey Michaels
wie du weißt, ist das kein Kompliment.“
Charlotte
stand mit einer so lebhaften Bewegung auf, wie man sie seit Wochen nicht an ihr
gesehen hatte. „Es ist also ausgemacht? Morgen fahrt ihr nach Malvern? Da
Tanners Pferde unübertroffen sind, müsste eine Übernachtung unterwegs genügen,
meint Rafe. Dann eine Woche auf dem Land, viel frische Luft und schließlich
eine gemächliche Heimfahrt nach Ashurst Hall.“
Schon hatte
Lydia den Mund zu einer Antwort geöffnet, wollte sich weigern, obwohl sie sich
noch nicht klar darüber war, warum sie glaubte, die Einladung ablehnen zu
müssen. „Ashurst Hall?“, fragte sie nun verwirrt. „Nach Hause? Aber ...
aber was ist mit dem Rest der Saison?“
„Rafe hat
entschieden, dass seine Gattin wichtiger ist als jede Redeschlacht im Parlament.
Besonders, seit ich erwähnte, dass ich mich möglicherweise verrechnet habe und
sein Sohn früher als erwartet das Licht der Welt erblickt.“
„Tatsächlich?“
„Nein,
eigentlich bin ich mir des Datums sicher. Aber diese Ankündigung brachte ihn
ganz schön auf Trab, muss ich sagen. Und ich weiß nicht, wie es dir geht, aber
mir ist fast schwindelig bei dem Gedanken, heimzukehren.“
„Das war
mir aufgefallen.“ Lydia sah sie von der Seite an. „Ich hatte keine Ahnung,
dass du die Wahrheit verdrehen kannst.“
„Ich auch
nicht, aber jetzt finde ich, dass es ziemlich viel Spaß macht. Wie auch immer,
Rafe scheucht jedenfalls gerade die Dienerschaft herum, sodass wir morgen die
Heimfahrt antreten können, etwa zur gleichen Zeit, wie ihr nach Malvern aufbrecht.
Wir werden einen imposanten Anblick bieten, wenn all die Reisewagen auf einmal
vom Grosvenor Square abfahren.“
„Aber ...
aber ...“ Lydia drehte sich der Kopf.
„Rafe hat
auch Nicole schon eine Nachricht geschickt und sie gebeten, mit Lucas zusammen
direkt nach Ashurst Hall zu kommen, wenn ihr Besuch in Basingstoke zu Ende ist.
Also werden wir bald alle wieder vereint sein. Immerhin erwarten wir die
Geburt eines Erben und müssen Hochzeiten planen.“
Abermals
sprang Lydia hastig auf. Sie fühlte sich hilflos einem wahren Sturm an
anscheinend unabänderlichen Ereignissen ausgesetzt. „Hochzeiten? Charlotte,
hör bitte auf! Dein Kind, ja. Und Nicoles und Lucas' Hochzeit auch. Ich habe ja
schon seit Wochen gesagt, dass wir alle heimkehren sollten. Aber Hochzeiten?
Mehrzahl? Ich werde den Baron ganz bestimmt nicht heiraten! Was fällt dir ein!
Ich kenne ihn kaum.“
Charlotte
lächelte atemberaubend und mehr als nur ein bisschen schalkhaft. „Liebes, wer
spricht denn von dem Baron? Du musst dich tatsächlich ein wenig von dem Wirbel
der Saison erholen, nicht wahr? Die Landluft wird deinen Kopf klären.“
Aber wenn
Charlotte sie nicht dem Baron in die Arme stieß, dann musste sie sie wohl ...
wem? Lydia ließ sich so schwer auf einen Stuhl plumpsen, dass ihre Zähne
aufeinanderschlugen. Nicole hatte sich an ihren Kleidern zu schaffen gemacht,
Rafe verschickte sie nach Tanners Landsitz, ohne sie auch nur um ihre Meinung
bezüglich dieser Reise zu bitten. Und Charlotte wirkte wie eine Katze, die den
Rahmtopf entdeckt hatte.
Dachte etwa
die ganze Welt das, was sie selbst so sorgfältig vermieden hatte, je laut zu
äußern.
Ehe Lydia
etwas zu sagen einfiel, war ihre Schwägerin, dieses Mal erstaunlich
leichtfüßig, zu dem Sekretär gehuscht, hatte den Brief an Nicole an sich
genommen und mit den Worten, dass der noch die Morgenpost erreichen werde, aus
dem Zimmer verschwunden.
Für eine
Frau, die vor Kurzem noch geklagt hatte, dass sie watschelte wie eine fette
Ente, war ihr Gang ausgesprochen federnd.
Herrgott! Federnder
Gang! Würde sie diesen Ausdruck nie mehr vergessen?
Also war
Tanner in Charlottes Augen ihr zukünftiger
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