Kasey Michaels
seinen
dauerhaften Platz, gehörte nicht mehr so zu ihrem Leben, wie er seit
dem Tag, als sie sein einzigartiges Lächeln gesehen, den reizvollen irischen
Tonfall seiner dunklen Stimme gehört hatte. Der
Stimme, die sie sich kaum noch ins Gedächtnis rufen konnte, das Lächeln, das
sie zuletzt gesehen hatte, als er ihr vom Rücken seines Pferdes zuwinkte,
während er fortritt zu Ruhm und letztlich in den Tod.
Sie schloss
die Augen. So lange Zeit war sie wütend auf ihn gewesen! Weil er gegangen war.
Weil er seine verfluchte Pflicht an Krone und Vaterland über ihrer beider Glück
gestellt hatte. Zwar fehlte er ihr so sehr, sehnte sie sich nach ihm, liebte
ihn, und doch war sie tief in ihrem Herzen so ... so wütend auf ihn gewesen.
Damals als
Tanner, ungeachtet seiner eigenen Verletzung und der Tatsache, dass er seine
Heimreise damit verzögerte, gekommen war, um ihr die traurige Nachricht
persönlich zu überbringen, hatte sie ihn einen Lügner genannt, hatte mit den Fäusten
auf ihn eingeschlagen. Weil sie die Tatsache leugnete? Oder vielmehr aus Wut?
Hatte sie Tanner angegriffen, oder hatte sie im Grunde Fitz gemeint, weil er so
herzlos gewesen war, zu sterben, anstatt bei ihr zu bleiben?
All diese
Fragen hatte sie sich immer und immer wieder gestellt. Fragen, die sie nie
auszusprechen gewagt hatte, nicht einmal vor Nicole. Und besonders nicht vor
Tanner. Sie hatte nie nach Fitz' Verletzungen gefragt, nie danach, wie Tanner
ihn während der noch wütenden Schlacht gefunden hatte oder was die letzten
Worte des Captains gewesen waren. Weil sie Fitz brauchte, lebendig, wenigstens
in ihrer Erinnerung. Und nun konnte sie sich kaum an den Klang seiner Stimme
erinnern oder sein Lächeln vor ihrem geistigen Auge aufrufen.
Und das
blaue Band war zerschlissen ...
Sie wischte
sich mit dem Handrücken die Tränen ab. Es war so schwer, Abschied zu nehmen.
Und noch
schwerer, sich der Zukunft zu stellen ...
Gepolter
auf der Treppe! Und eine tadelnde Stimme. „William, du ungeschickter Tölpel!
Wer hat dir gesagt, dass du loslassen sollst?“
Das
Geräusch eines hinunterpolternden Schrankkoffers und der folgende an den armen
William gerichtete Sermon des ersten Lakaien brachte Lydia unwillkürlich zum
Lächeln. Rasch raffte sie ihre Röcke, eilte den Gang entlang und hinunter in
die Halle. Ihr Lächeln verblasste erst, als sie bemerkte, dass ein Lakai gerade
die Tür geöffnet hatte und Baron Justin Wilde einließ.
„Mylord“,
sagte sie, leicht atemlos, und knickste zur Begrüßung.
„Lady
Lydia! Endlich ein Grund, an diesem trüben Tag durchzuatmen“, entgegnete er mit
einer übertrieben eleganten Verneigung.
„Wissen
Sie, das kommt von dem Vulkan“, hörte Lydia sich sagen. „Irgendwo auf
Tambora auf der anderen Seite der Erde. Es sind die Auswirkungen der Rauch- und
Aschewolken, die in die Luft geschleudert wurden, vor einem halben Jahr schon.
Sagt Rafe.“ Ganz kurz schloss sie die Augen. Oh, Gott, sie klang
vermutlich gerade wie Jasmine, nur dass sie weit besser unterrichtet war.
„So hörte
ich, ja. Und da wir Seine Gnaden erwähnen – wissen Sie, ob er heute Morgen
empfängt?“
„Sie
möchten mit Rafe sprechen?“ Ehrlich, konnte man noch dümmer sein? Nun
plapperte sie auch noch alles nach wie ein Papagei!
Sie hielt
es für besser, nichts weiter zu sagen, besonders da die beiden Lakaien sich als
interessierte Zuhörer erwiesen. Also wandte sie sich dem Salon zu und lud den
Baron ein, sie zu begleiten.
„Ich komme
gerade vom Portland Square.“ Justin wartete höflich, bis Lydia sich auf
einem der beiden Sofas niedergelassen hatte. „Ich denke, der Patient wird
überleben“, fuhr er fort, während er selbst, fein säuberlich seine
Rockschöße
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