Kasey Michaels
ausgewichen wäre, ja, ja, ich weiß schon.“
„Oder
vielleicht nach links. Es ging alles so schnell, ich konnte nur noch zugucken
und dein Können bewundern.“ Justin steckte seine Lupe wieder ein. „Ich
könnte sie für mich gewinnen. Die schöne Lady Lydia, meine ich.“
„Dann hätte
ich sie nicht verloren, oder? Weil sie nämlich niemals mein gewesen wäre.“
Justin
lächelte schief und ein wenig traurig. „Wieder deine verflixte Ehrenhaftigkeit
– wirst du das nicht manchmal leid? Aber ich verstehe deine Argumentation.
Zumindest hast du sie dann nicht an einen Toten verloren.“
Tanner
beschäftigte sich mit der Karaffe, um die Gläser nachzufüllen. „So
ausgedrückt, klingt es hart, was? Aber ja, mit Fitz kann ich nicht
konkurrieren. In ihren Augen war er perfekt. Ich bin nicht perfekt.“
„Wer ist
das schon? Verglichen mit dem bösen Baron bist du der Perfektion immerhin
ziemlich nahe. Aber ich warne dich, ich besitze beträchtlichen Charme. Und die
Damen, selbst die besten, haben einen Hang zu bösen Buben und Abenteuern.“
„Nicht
Lydia. Du kennst sie nicht, Justin. Sie mag das ruhige Leben.“ Tanner
schüttelt den Kopf. „In ihrer Zwillingsschwester Nicole
hättest du deinen Meister gefunden, dessen bin ich mir recht sicher. Schade,
dass ich das nicht mehr erleben kann, da sie sich schon für Lucas Paine
entschieden hat.“
„Ah, ich
glaube, es wird auf eine Wette hinauslaufen. Weißt du, Tanner, du liest der
Dame, nett auf einem Plaid unter Bäumen ausgestreckt, Gedichte vor, ganz wie
der ehrenhafte Gentleman, der du bist. Und ich – nun, ich bin sicher, mir wird
etwas einfallen. Du magst sie für dich wollen, aber zuvor muss jemand sie aus
den Träumen der Vergangenheit aufwecken, in denen sie lebt, wie ihr beide zu
glauben scheint. Oder zumindest einer von euch glaubt das noch.“
Schon öffnete
Tanner den Mund zum Protest, klappte ihn aber wieder zu. War das etwa sein
Fehler? Hatte er Lydia zu behutsam behandelt? Sie nicht als Frau behandelt,
sondern als die herzzerreißend tragische Gestalt, die vor einem Jahr vor ihm
gestanden hatte?
Wie sie
sich allerdings gestern ihm gegenüber verhalten hatte, im Park, auf dem Ball,
in dem Garten dort ... ihr strahlendes Lächeln, ihre fast schon freche Zunge
... Und diese Robe!
War er,
ohne es zu bemerken, Zeuge ihrer ersten zaghaften Schritte gewesen, sich von
der Vergangenheit zu entfernen? Hatte sie nun, da ihre Schwester nicht mehr bei
ihr war, beschlossen, dass es Zeit sei, selbst die Flügel auszubreiten?
Man könnte
sagen, dass sie ein wenig mit ihm geflirtet hatte, weniger schüchtern gewesen
war, offener im Betragen. Fest stand jedenfalls, dass sie mit Justin geflirtet
hatte, bei dieser Sache mit Moliére. Ha!
Und ihm
fiel noch mehr ein. Konnte es sein, dass nicht die Erinnerung an Fitz sie davon
abhielt, mit der Vergangenheit abzuschließen, sondern er selbst mit seinem
Verhalten? Sie hatte sich gegen seine ... nun, seine Güte aufgelehnt.
Betrachtete sie ihn vielleicht eher als Hemmschuh für ihre Zukunft? Wie konnte
er hoffen, mehr als Freundschaft in ihr zu wecken, wenn er ihr nicht mehr als
Freundschaft bot?
Nun, wenn
er nicht ein verdammter Narr war!
„Tanner?
Was lächelst du? Habe ich etwas Amüsantes gesagt?“
„Im
Gegenteil, Justin. Nicht amüsant, sondern brillant. Ich danke dir sehr.
Oh, und ja, die Wette steht.“
Justin hob
sein Glas. „Hört! Hört! Möge der beste – oder der böseste – gewinnen!“
7. Kapitel
ydia saß an ihrem Sekretär und knabberte
am Ende der Schreibfeder in ihrer Hand, während sie den Satz noch einmal las,
den sie gerade niedergeschrieben hatte.
Sie hatte
Nicole mehr Neuigkeiten versprochen, also konnte sie sich nun nicht nur auf
eine Sache beschränken, doch ihr alles zu
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