Kasey Michaels
Bräutigam. Wahrscheinlich dachte
genau das auch Rafe, und die beiden mussten hellauf begeistert sein, sie unter
dem Vorwand, dass die Schande des Barons durch einen Landaufenthalt wundersam
geheilt werden könnte, nach Malvern zu verfrachten.
Es war so
durchsichtig. Aber sie meinten es gut, alle, Nicole, Charlotte, Rafe ...
Sie hatte
Tanner wirklich sehr gern. Sehr, sehr gern. Und er hatte sie geküsst, wenn auch
nur auf die Wange. Und er würde Jasmine nicht heiraten; zumindest behauptete
Jasmine, ihn nicht zu wollen. Und ich, dachte Lydia, die ihn bisher für so gut
wie verlobt gehalten hatte, brauche meine wachsende Zuneigung zu ihm nicht mehr
zu verbergen.
Nur war da
immer noch diese Sache, dass Tanner dem Captain versprochen hatte, sie stets zu
behüten. Wenn er seine Cousine nicht wegen einer letzten Bitte auf dem
Sterbebett seines Vaters heiratete, dann sollte sie endlich auch den
niederdrückenden Gedanken fortschieben, dass er sie wegen einer anderen
letzten Bitte heiraten könnte. Oder?
Unversehens
war die Erinnerung an seinen kurzen, keuschen Kuss nicht mehr ganz so
romantisch. Zusammen mit dieser plötzlichen Einladung auf seinen Landsitz ...
und dann die nur schlecht verhüllte Freude ihrer Familie darüber?
Fantasierte
sie, oder hatte Tanner schon mit Rafe gesprochen und dessen Einwilligung
erlangt? Würde er sich ihr erklären, sobald sie auf Malvern Hall waren, fort
von den Klatschmäulern, die fragen würden: „Und was ist mit der Cousine?“
Es erschien
ihr alles so kalt, so berechnend.
Hier ist
mein hübscher Besitz, hier sind die Scheunen, die Pferde, die Felder. Bitte
hilf mir, mein Gewissen zu beruhigen, und heirate mich. Fitz wäre so glücklich,
dich gut versorgt zu sehen.
Wie
grässlich! Lydia sank in sich zusammen.
Und da war
noch etwas, etwas scheußlich Irritierendes an der Vorstellung, dass alle so
unbekümmert über ihr Leben bestimmten, als wüssten sie es am besten. Immerhin
war sie kein Kind mehr. Warum
waren alle so versessen darauf, sie als zerbrechlich zu betrachten? Und ruhig
... Und fügsam ... wobei sie fügsam am schlimmsten fand.
Sie war
nicht fügsam. Sie wirkte nur so, weil im Vergleich mit ihr Nicole extravagant
und nicht zu zügeln war. Sie hatte sehr wohl einen eigenen Kopf! Sie konnte
selbst Entscheidungen treffen, jawohl!
Was würden
sie alle tun, wenn sie vorgab, sich zu dem Baron hingezogen zu fühlen, für eine
Weile wenigstens? Der Mann flirtete ja schon mit ihr. Vielleicht sollte sie
auf seinen Flirt eingehen! Wenn ihnen das nicht den Spaß verdarb! Plötzlich
fühlte sie sich ... Herrgott! Störrisch! Oder war es, wenn man berücksichtigte,
dass sie sehr wahrscheinlich in Tanner verliebt war (wonach ja bisher noch
niemand gefragt hatte) ... war es nur kleinlich ...?
„Ist sie
weg?“ Sarah steckte den Kopf durch den Türspalt und schlüpfte breit
lächelnd ins Zimmer. „Oh, Mylady, ist das nicht großartig? Hab's schon unten
gehört. Wir reisen morgen ab, aufs Land? Und ausgerechnet nach Great Malvern.
Ich hab da Verwandtschaft. Meine Cousine Martha hat dahin geheiratet, den
Bäcker im Ort, an der Hauptstraße. Seitdem ist sie 'n kleines bisschen
eingebildet, aber wir haben uns immer gut verstanden, und warum soll man sich
nicht ein wenig aufspielen dürfen, wenn man eine so gute Partie gemacht hat,
sag ich.“
Beinahe
hätte Lydia etwas wie ‚Was interessiert mich deine Cousine?‘ gesagt, doch wenn
sie unbedingt jemanden schockieren wollte, sollte es besser Tanner sein und
nicht die arme Sarah. „Great Malvern, Sarah?“, äußerte sie deshalb nur.
„Ja, und es
gibt auch ein Little Malvern, aber Great Malvern ist wichtiger, sagt meine
Cousine. Ah!“ Sie schlug sich vor die Stirn. „Und Sie sind die ganze
letzte
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