Kasey Michaels
Ihr Dinner aufschieben müssen? Immerhin waren Sie den ganzen Tag
unterwegs. Justin, ein Glas Wein für Mrs Shandy.“
„Aber
gewiss und vielleicht noch ein Scheibchen Fleisch?“
„Wie
aufmerksam ihr seid“, lobte Lydia.
„Ja, wir
sind bewundernswert“, murmelte Justin, „wobei ich meistens Hintergedanken
habe.“
„Ja, ich
weiß“, entgegnete Lydia, gedämpft, obwohl die stocktaube Anstandsdame mit
Sicherheit nichts mitbekam, „Sie haben amouröse Absichten auf Mrs Shandy.“
Justin
platzte laut heraus. „Herrgott, Lydia, ich könnte mich in Sie verlieben.“
Dann warf er Tanner einen Blick zu. „Sie sind die einzige Person, die es wagt,
mir das Wort im Munde herumzudrehen und mich mit meinem eigenen Witz zu
schlagen. Wie erfrischend! Aber wechseln wir das Thema, ehe Tanner mich mit Blicken
erdolcht! Mr Flynn, wie kamen Sie zu dieser äußerst kleidsamem Augenklappe, die
die Damen bestimmt sehr interessant finden?“
„Ja, sie
zieht durchaus anerkennende Blicke an. Gibt den Anschein des verwundeten
Helden, nehme ich an. Stimmen Sie mir zu, Lady Lydia?“
Ihr fehlten
die Worte, hilflos schaute sie Tanner an. „Ich ... ich denke, dass die meisten
Frauen Mitgefühl mit einem Mann haben, der bei der Verteidigung seines
Vaterlandes verwundet wurde.“
Mr Flynn
nickte zustimmend. „Ungerecht, was? Mitgefühl haben die verdient, die nicht
wieder heimkamen. Arme Hunde. Oh, verzeihen Sie, Lady Lydia.“
Sie
betrachtete angelegentlich ihren Teller. In ihren Augen brannten Tränen. Es war
sein irischer Tonfall, sonst nichts. Der ließ die Erinnerung aufsteigen.
Beinahe
abrupt fragte Tanner: „Sie sagten, Sie reisen viel, Mr Flynn. Wo waren Sie
schon überall?“
„Ah, bitte,
Euer Gnaden, ich bin schon so lange nicht mehr Mr Flynn. Captain ist mir
mittlerweile viel vertrauter.“
Unwillkürlich
keuchte Lydia leise auf. „Captain? Und ich hörte, Sie waren im Vierten
Regiment. In Quatre Bras?“
Sie spürte
Tanners Blick auf sich, doch sie schaute ihn nicht an. Sie musste sich und ihm
beweisen, dass die Erinnerung an Fitz nicht länger ihr Leben bestimmte. Aber
sie wäre kein Mensch, wenn sie nicht wenigstens fragte. „Sagen Sie, kannten Sie
zufällig Captain Fitzgerald? Er fiel bei Quatre Bras.“
„Fitz? Aber
sicher, Mylady. Haben viel Spaß gehabt, ehe Boney uns alles verdarb. Hatte
viel für die Damen übrig, Fitz.“
„Das ist
eine Lüge!“ Tanners Stimme klang eisig. „Eine verdammte Lüge!“
Lydias Puls
schien so laut zu hämmern, dass sie kaum etwas anderes hörte. Sie rang nach
Luft, denn bei Flynns Worte war ihr jäh der Atem gestockt.
Captain
Flynn schaute von Tanner zu Lydia, dann zu Justin, der plötzlich sehr aufmerkte
und das Flair des sorglosen Dandys abgelegt hatte.
Mit
seidenweicher Stimme äußerte Justin: „Herrje, Captain Flynn, ich glaube
wahrhaftig, Sie haben sich schwer in die Nesseln gesetzt. Ende des herzlichen
Willkommens.“
Captain
Flynn schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich verstehe zwar nicht, aber
keiner nennt mich einen Lügner. Es ist eine Dame
anwesend, sonst hätten Sie jetzt gleich eine blutige Nase, Euer Gnaden. Aber
ich bestehe darauf, dass Sie mit mir hinausgehen.“
„Tanner,
bemüh dich nicht, ich bitte dich“, sagte Justin sein Glas absetzend. „Ich
schulde dir etwas, weil du mich neulich von einem Stück Mist befreit hast;
jetzt werde ich mit Freuden für dich das Gleiche tun. Wir wollen doch nicht,
dass deine Wunde wieder aufreißt.“ Ohne Flynn aus den Augen zu lassen,
erhob er sich. „Gönn mir die Ehre, sein hässliches Antlitz in den Dreck zu
bohren.“
„Und er
soll sich entschuldigen, verdammt!“
Plötzlich
herrschte eine Atmosphäre aus Wut und Angriffslust. Die Männer waren bereit,
sich aufeinander zu
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