Kasey Michaels
zerfließen, wenn ich einen Iren treffe, der vielleicht bei Quatre Bras
gekämpft hat oder auch sonst wo.“
„Ich
weiß.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, was sie vor ein paar
Augenblicken noch gern selbst bei ihm gemacht hätte, nur aus anderen Gründen.
„Ich hielt es nur für richtig, Sie vorzuwarnen.“
„Was
hiermit geschehen ist.“ Sie rückte einen Schritt näher an ihn heran. So
nah, dass ihr der Duft seiner Seife in die Nase stieg. „Haben Sie bemerkt,
Tanner, dass wir hier allein sind? Sie und ich. Niemand sonst ist hier. Bitte
öffnen Sie jetzt auch niemandem.“
Er ergriff
ihre Hände, hob sie an seine Lippen und küsste erst die eine, dann die andere
Hand, während er ihr in die Augen schaute. „Und wenn sich in diesem Raum ganze
Völkerscharen drängten, sähe ich nur Sie, Lydia.“
Nie hatte
sie schönere Worte vernommen.
„Ich
wünsche mir so sehr, dass wir beide auf Malvern ganz oft zusammen sind. Ich
wünsche mir ... so vieles. Aber ich möchte Sie nicht drängen, Lydia“, flüsterte
er, gerade als sie ... nun sie wusste nicht recht, was sie hatte sagen wollen.
Nur seinen Namen vielleicht.
„Wir kennen
uns jetzt fast ein Jahr“, sagte sie und hätte es gleich darauf lieber zurückgenommen,
denn damit weckte sie nur wieder die Erinnerung an den Tag, als er ihr die
Nachricht von Fitz' Tod überbracht hatte. Der Tag, als sie ihn angeschrien,
geschlagen hatte. „Ich meine, ich ...“
„Lydia,
darf ich Sie küssen?“
Sie
schluckte hart. Ihr Mund war plötzlich ganz trocken. Sie sah Tanner unverwandt
an.
„Es tut mir
leid. Es ist zu früh. Verzeihen Sie mir ...“
Er konnte
den Satz nicht fortsetzen, denn sie hatte sich auf die Zehenspitzen gehoben und
drückte ihren Mund auf den seinen. Er durfte einfach nichts mehr sagen. Sie
würde ihm schon abgewöhnen, so ehrenhaft, so höflich und so ... so schrecklich gut zu sein, dass er es vielleicht selbst jetzt noch fertig brächte, einfach
hinauszugehen und sie allein zu lassen.
Doch als
sie seine Arme um sich spürte, seufzte sie erleichtert, seufzte an seinen
Lippen, die er über den ihren geöffnet hatte. Ihr wurde ganz schwach.
Sie schlang
ihm die Arme um den Nacken und klammerte sich an ihn, aus Angst, dass er sich
besinnen könnte, ehe sie begriff, was sein Kuss in ihr auslöste. Ihr erster
Kuss. Ihre zweite Liebe. Die Realität gegen ihre Traumwelt.
Die
Realität siegte.
Tanner zog
sich ein wenig zurück, doch nur, damit er sie umso enger an sich ziehen konnte,
ehe er sie erneut und umso heißer küsste.
Er konnte
mit seinen Händen ihre Taille fast völlig umspannen, dennoch fühlte Lydia sich
nicht zart und zerbrechlich, sondern endlich, zum ersten Mal in ihrem Leben,
ganz wirklich. Sie war Lydia, eine Frau mit dem Verlangen einer Frau, nicht den
Träumen eines halben Kindes. Lebendig, zum ersten Mal in ihrem Leben.
Hartes,
lautes Klopfen an der Tür genügte, um sie beide wie ertappte Kinder
auseinanderfahren zu lassen. Dann Justins Stimme. Viel zu vergnügt fragte er,
ob sie zufällig wisse, wo Tanner geblieben sein könne.
Hastig
küsste Tanner sie noch einmal, dann legte er den Zeigefinger auf seine Lippen.
Lydia nickte, atmete tief durch und rief dann: „Nein, Justin, ich weiß es auch
nicht, tut mir leid. Aber ich komme sofort.“
„Soll ich
auf Sie warten?“
Fragend
schaute sie Tanner an, der jedoch den Kopf schüttelte und ... auf ihren Mund
zeigte? „Äh ... danke, ich brauche noch einen Moment.“
„Bis gleich
dann. Und wenn Sie meinen lieben Freund Tanner sehen, richten Sie ihm aus, dass
er sich benehmen soll.“
„Äh ... ja
... sicher.“ Lydia wandte sich an Tanner, der jedoch nur in gespielter
Verzweiflung die Augen gen Himmel schlug. „Er weiß, dass Sie ... dass du hier
bist“, hauchte sie, hastete zur Tür und drückte ihr Ohr an das Holz.
Draußen verklangen
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