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Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
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warte?«
    »Natürlich, Miss. Setzen Sie sich. Sie können ihn auch anrufen, wenn Sie möchten, vielleicht kann er früher Schluss machen.«
    Sie lächelte dankbar. »Nein, er beschwert sich sowieso schon immer, dass ich ständig zu früh bin.«
    »Dann sind Sie das genaue Gegenteil zu meiner Frau«, entgegnete der Sicherheitsbedienstete, lachte und drehte sich zu seinem Kollegen, um ihn an dem Witz teilhaben zu lassen.
    »Ich warte einfach auf ihn«, sagte die Hexe.
    Also saß sie im Empfangsbereich und sah die Beamten kommen und gehen. Die meisten gingen – es war immerhin Mittagszeit -, doch einige kamen auch schon mit Sandwiches und Limonadedosen zurück. Als sie den Tresen mit den Sicherheitsbediensteten passierten und die Fahrstühle ansteuerten, lächelten einige und nickten den Wachmännern zu, andere zeigten ihre Ausweise, wieder andere liefen einfach an ihnen vorbei, ohne von den Männern des Sicherheitsdienstes auch nur Notiz zu nehmen. Die reagierten genauso auf den stetigen Menschenstrom: Sie sahen kaum von ihrem Tresen auf. Die Zugangsberechtigten zeichneten sich durch eine gewisse Forschheit aus. Ja, Forschheit war genau das richtige Wort. Es war das Gefühl, das mit einem gewissen Vorrecht einherging, nämlich dem, eine offizielle Barriere passieren zu dürfen, die andere außen vor ließ – dem Vorrecht dazuzugehören.
    Wenn sie sich forsch bewegte und ihren Sicherheitsausweis hinhielt wie immer – würden die Wachleute aufsehen? Und falls ja, würden sie mehr tun? Würden sie die Stirn runzeln, sie bitten, an den Tresen zu treten und ihren Ausweis genau in Augenschein nehmen? Sie bezweifelte es. Schließlich hatte sie sie angelächelt, also musste sie sie kennen. Sie würden sich wieder ihrem Telefon, ihrer Zeitung oder dem Gespräch zuwenden, das sie gerade führten.
    Was sie an Fremden alarmierte, war ihre Art, sich zu bewegen. Einige drückten die Glastür langsam und unsicher auf. Waren sie dann drinnen, zögerten sie, sahen sich um, versuchten sich zu orientieren. Dann gingen sie beinahe widerstrebend zum Tresen, wo der Sicherheitsbedienstete, der all diese Unsicherheitszeichen registriert hatte, bereits fragte, ob er helfen könne. Ja, Besucher verrieten sich selbst. Wenn man die Gegebenheiten kannte, wenn man forschen Schrittes zu den Aufzügen marschierte, anstatt stumm zum Tresen zu starren... konnte jeder in das Gebäude hineinspazieren. Jeder konnte mit dem Aufzug in jede beliebige Etage fahren, in eine Etage, in der womöglich Minister und hohe Staatsbeamte konferierten.
    Oh, wie sehr die Hexe die Demokratie liebte. Die Menschen genossen ihre Freiheiten zu leichtfertig, schützten sie zu wenig. Das hier war keine Sicherheit, sondern das Gegenteil davon. Die Sicherheitsleute hatten einen leichten Job und fanden das erfreulich. Sie stand auf, drehte eine Runde durch den Empfangsbereich und stellte sich an die Glastür. Als die Wachmänner gerade beschäftigt waren, drückte sie die Tür auf und spazierte wieder hinaus auf die Straße. Sie war sicher, dass sie sie bis zur nächsten Pause vergessen hätten.
    Wie lange wartete sie jetzt schon? Vielleicht waren ihre Befürchtungen begründet, und ihre Auserwählte war wirklich krank... Aber nein... da kam sie ja. Sie rief dem Wachmann über die Schulter etwas zu. Dann drückte sie die schwere Glastür auf. Draußen blieb sie stehen und atmete tief ein. Hier begann ihr Wochenende, hier und jetzt. Sie hatte zwei Aktentaschen bei sich: ihre eigene, ein schlichter, brauner Diplomatenkoffer, und eine andere aus schwarzem Leder mit einem Namensschild, über dem eine Krone prangte; sie sah aus wie ein teurer Schulranzen. Diese Tasche gehörte der Regierung, ein Zeichen dafür, dass die Frau nicht nur irgendeine Bürokraft war. Sie hatte sich eine gute Position erarbeitet und war, wenn auch noch nicht ganz oben angelangt, so doch auf dem besten Weg dorthin. Sie wirkte temperamentvoll und sprühte nur so vor Lebensfreude und Optimismus. Bestimmt war sie kontaktfreudig. Die Männer vom Sicherheitsdienst würden ihren Namen kennen. Sie schien nicht oft auszugehen und teilte sich in Stoke Newington mit zwei anderen jungen, berufstätigen Frauen ein Haus. Vielleicht war dieses Haus gemietet, vielleicht hatten sie es aber auch gemeinsam gekauft, bevor die Regierung das Gesetz über die steuerliche Absetzungsfähigkeit von Hypotheken änderte. Es gab Dinge, die nicht einmal die Hexe wusste.
    Sie fuhr mit dem Vorortzug und der U-Bahn zur Arbeit und auf dem

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