Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
Vom Netzwerk:
herumstöberte und die begehrlichen Blicke hinter ihrem Rücken gar nicht bemerkte. Sie trug einen engen roten Lederrock mit Reißverschlüssen an beiden Seiten und eine schwarze Lederjacke. Elder ertappte sich dabei, dass er sie ebenfalls musterte. Unter all dem Make-up und ihrem zerzausten Haar suchte er ein bekanntes Gesicht. Doch er konnte keines finden.
    Ein paar Oldies – und er zählte sich selbst zu dieser Altersgruppe – taten ihr Bestes, sich durch das Gedränge zu wühlen. Sie hielten nach Ständen Ausschau, an denen Musik aus den Fünfzigern und Sechzigern angeboten wurde. Er drehte eine Runde durch die Halle, ohne Charlie Giltrap zu entdecken. Aber plötzlich sah er ihn. Er stand in einer Ecke und war über einen Karton LPs gebeugt, die er gerade durchging. Grinsend tippte Elder ihm auf die Schulter.
    Charlie Giltrap drehte sich um, die Finger immer noch in dem Karton, um die Stelle zu markieren, an der er seine Durchsicht fortsetzen wollte. Dann machte er große Augen, ließ die Schallplatten Schallplatten sein und fasste mit beiden Händen die von Elder.
    »Dom! Wo zum Teufel kommst du denn her?« Er schüttelte unentwegt Elders Hände und grinste mit fast zahnlosem Mund. Seine Wangen waren da, wo ihm die Zähne fehlten, leicht eingefallen. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, seine Nase war rot geädert. Wie immer trug er eine seinem Alter nicht gerade angemessene Kleidung: verblichene, geflickte Jeans, Leinenhemd und um den Hals ein Lederbändchen. Sein langes graues Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    »Du hast mir nie deine Adresse geschickt, du Schuft«, sagte er.
    »Für dich hatte ich keine Adresse, schon vergessen?«, erwiderte Elder. »Aber zufälligerweise habe ich dir eine Nachricht zukommen lassen.«
    »Ach ja?«
    »An die Adresse deines Vaters.«
    Ein Schnauben. »Das erklärt alles. Er hat ein Gedächtnis wie ein Sieb. Hat die Nachricht bestimmt weggeschmissen, ohne mir etwas zu sagen.«
    »Wie geht’s ihm?«
    »Er ist zwei Meter unter der Erde. Gott hab ihn selig. Ist letztes Jahr Weihnachten gestorben.«
    »Tut mir leid.«
    »Es wird uns alle treffen, Dom. Wenn ich anfange, vierzig Zigaretten am Tag zu rauchen, werde ich vielleicht auch sechsundachtzig wie er. Er hat immer behauptet, dass er bei seinem Zigarettenkonsum längst immun sei.« Charlie brach in knatterndes Gelächter aus.
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte Elder.
    »Und? Wie geht’s dir so? Was führt dich nach London?«
    »Die Arbeit, Charlie.«
    »Klar, hab mir schon gedacht, dass du nicht gekommen bist, um über alte Zeiten zu plaudern.«
    »Immer noch im Geschäft, was?«
    »Nicht mehr so wie früher, aber ich mische noch mit.« Charlie zwinkerte. »Lass mich das hier schnell erledigen, dann gehen wir etwas trinken, okay?«
    Charlie wandte sich wieder dem Standbesitzer zu. Elder verfolgte, wie ein halbes Dutzend LPs aus dem Karton gezogen und flach auf den Deckel eines anderen Kartons gelegt wurden. Charlie hob sie auf und reichte sie dem Verkäufer. Dieser rechnete die einzelnen Preise zusammen und steckte die Schallplatten in eine Plastiktüte.
    »Dreißig Pfund, Kumpel«, sagte er. Charlie gab ihm einen Fünfziger und drehte sich zu Elder um.
    »Der Markt hier ist ziemlich auf den Hund gekommen, Dom. Nur noch Hip-Hop und Trash-Metal-Raubkopien.«
    »Ist mir auch schon aufgefallen.«
    »Aber es ist der einzige Ort in London, an dem du noch LPs kriegst. Die Läden verkaufen nur noch CDs. Können sie mehr Kohle mit machen, verstehst du. Lassen Vinylplatten auslaufen. Es ist eine Schande.« Er nahm Wechselgeld und Schallplatten entgegen. »Danke, Kumpel. Dann bis zum nächsten Mal.«
    »Alles klar, Charlie.«
    Charlie und Elder schoben sich durch das Gewühl in den Gängen bis zum Ausgang. Elder registrierte, dass das Heavy-Metal-Mädchen sich mit ein paar Freunden unterhielt. Als es lachte, stellte er fest, dass es gut zehn Jahre zu jung war, um die Hexe sein zu können …
    »Endlich kriegt man wieder Luft«, meinte Charlie, froh, dem Gedränge entkommen zu sein. »Mein Auto steht um die Ecke, neben der Kirche. Komm.«
    »Was machen wir?«, fragte Elder. Charlie sah ihn an.
    »Wir bestellen dir ein großes Glas Young’s Best«, antwortete er.
    Elder lachte. »Das hab ich schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr getrunken.«
    »Dabei hast du es früher nur so in dich hineingeschüttet.«
    »Wo finden wir denn hier in der Gegend ein Young’s?«
    »Ich kenne ein paar Pubs, in denen es ausgeschenkt

Weitere Kostenlose Bücher