Kassandra Verschwörung
Polizeiwache aufgehalten hatte, die Frau, von der er sicher war, dass es die Hexe war. Er hielt Barclays Arm immer noch fest. »Ach, und noch was, Sie haben Lippenstift auf beiden Wangen.«
Das Hotel in Bloomsbury wirkte in jeder Hinsicht so exklusiv, wie Elder es erwartet hatte, schließlich war dies die Zeit des Spesenritterterrorismus, des legitimierten Terrorismus. Man konnte ein Heiligtum in die Luft jagen oder eine Busladung Frauen unter Beschuss nehmen und sich ein paar Monate später mit einer Delegation namhafter Politiker und Vermittler zu Friedensgesprächen an einen Tisch setzen und sein Bild für die Nachwelt auf den Titelseiten der Zeitungen und in den Fernsehnachrichten verewigen lassen.
»Er hat viel Wert auf seine Privatsphäre gelegt«, informierte sie die Hoteldirektorin, während sie sie nach oben führte. Sie hatte eine hochtoupierte Bienenstockfrisur, große Ohren und eine wulstige Stirn. »Er wollte sein Zimmer nur einmal in der Woche gereinigt haben.«
»Wie lange ist er schon Gast in Ihrem Hotel, Mrs. Hawkins?«
»Seit fast einem Monat. Er hat immer pünktlich bezahlt, jeweils zum Wochenbeginn.«
»Hat er bar bezahlt?«
»Ja, immer bar. Hier entlang, bitte.« Sie führte sie zu dem Zimmer und förderte aus den Falten ihres Rocks einen Schlüssel zutage. »Ein sehr ruhiger Herr, aber auch verschlossen. Aber was soll’s, ich versuche, mich möglichst nur um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern...«
»Ja, Mrs. Hawkins, vielen Dank. In Kürze wird ein Polizist eintreffen, der Ihre Aussage aufnehmen wird.«
Sie nickte eifrig. »Ich bin immer froh, wenn ich der Polizei helfen kann.«
»Danke, Mrs. Hawkins. Sie können uns den Schlüssel dalassen, wir schließen dann später hinter uns ab.«
»Alles klar.«
»Und denken Sie daran, niemand darf das Zimmer betreten, bevor die Spurensicherung hier war.«
»Die Spurensicherung?« Sie nickte erneut und kicherte. »Das ist ja wie im Fernsehen, oder?«
Elder lächelte. »Genau so, Mrs. Hawkins, genau so.«
Er schob Barclay ins Zimmer, folgte ihm und schloss die Tür. Dann drehte er Barclay zu sich herum.
»Sie sehen sie morgen wieder«, sagte er. »Und jetzt vergessen Sie die Frau! So sind Sie mir keine große Hilfe. Da kann ich Sie genauso gut zurückschicken in Ihr verdammtes Büro!«
Das saß. Barclay straffte sich, seine Augen schienen auf einmal wieder klarer zu sehen.
»Tut mir leid«, sagte er entschuldigend.
»Schon gut, jetzt lassen Sie uns sehen, was wir hier haben. Und denken Sie daran, fassen Sie nichts an, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Vielleicht findet die Spurensicherung noch ein paar Fingerabdrücke – falls sie sich denn mal herbemüht.«
»Von wem?«
»Vielleicht von der Hexe. Oder – wenn es auch höchst unwahrscheinlich ist – von ihrem Auftraggeber und Zahlmeister, wer auch immer das ist.« Er hielt inne. »In der Wohnung des Karikaturisten haben Sie gute Arbeit geleistet, mal sehen, ob Sie das noch mal hinkriegen.«
Breuckner schien ein ordentlicher Mensch zu sein. Das Bett war gemacht, die Bettdecke glatt gezogen, seine Kleidung hing fein säuberlich im Schrank. Auf dem Nachttisch stand ein Reisewecker, daneben lagen die Abendzeitung vom Vortag und ein benutztes Ticket für Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett.
»Reist mit wenig Gepäck, finden Sie nicht auch?«, stellte Elder fest. »Wenn man bedenkt, dass er schon seit einem Monat hier wohnt.«
»Und für einen Touristen hat er nicht gerade viele Souvenirs gesammelt.« Barclay hob einen Schuh hoch. »Soll ich nachsehen, ob er einen Funksender im Absatz hat?«
Elder grinste. »Ich glaube, Funksender sind mehr Ihr Ding?«
»Wissen Sie, dass ich in der Wohnung des Karikaturisten zwei Wanzen zurücklassen musste?«
»Keine Sorge, darum wird sich schon jemand kümmern.«
»Ehrlich?« Die Erleichterung in Barclays Stimme war nicht zu überhören.
»Aber binden Sie Joyce nicht auf die Nase, dass ich Ihnen das erzählt habe. Sie will Sie noch ein bisschen schwitzen lassen.«
»Alles klar.«
Sie setzten ihre Suche fort, entdeckten jedoch nichts Außergewöhnliches, außer dass sie absolut keine typischen Hinterlassenschaften eines Touristen fanden: keine benutzten Fahrkarten oder Tragetaschen, keine Briefmarken, keine ausländische Währung, keine Reiseführer, keine Souvenirs.
Barclay schaute unters Bett. »Hier liegt was.« Er sah sich um, stand auf und ging in das angrenzende Bad. Als er zurückkam, hielt er ausgerechnet eine
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