Kassandra Verschwörung
war und noch auf dem Teppich lag. Greenleaf bückte sich und hob sie auf. Zwei Briefe für C. Jones, einer für T. Briggs und eine Ansichtskarte. Er legte die Post auf den kleinen Tisch, der im Flur stand, und folgte Doyle ins Wohnzimmer.
Doyle saß bereits auf dem Sofa und fragte Tessa Briggs nach ihrem Wochenende.
»Es war super«, schwärmte sie. »Wir sind Kanu gefahren. Für mich war es das erste Mal. Ich hatte eine Wahnsinnsangst, aber ich würde es jederzeit wieder tun.«
»Und wer ist ›wir‹?«
»Oh, Rachel und ich und unsere beiden Freunde.«
»Miss Jones war also nicht dabei?«
»Nein, Chris ist hiergeblieben. Im Moment ist sie allerdings nicht da. Sie ist für ein paar Tage weggefahren... Sie hat mir eine Nachricht auf meinem Computer hinterlassen.«
Die beiden Polizisten sahen sich an. Das schien mit der Geschichte übereinzustimmen, die die Frau, die sich als Christine Jones ausgegeben hatte, den Polizisten auf der Wache erzählt hatte. Doyle zog eine Augenbraue hoch. Greenleaf verstand, was er damit sagen wollte: eine Zeitverschwendung. Auf dem Kaminsims stand ein gerahmtes Foto: drei junge Frauen, die sich umarmten und in die Kamera grinsten. Greenleaf nahm es in die Hand.
»Welche ist Miss Jones?«
»Die in der Mitte«, antwortete Tessa Briggs.
Genau das hätte er auch selbst sehen können: Das Foto von ihr entsprach ziemlich genau der Beschreibung der beiden Polizisten und Elder, der ihr offenbar begegnet war, als sie die Wache verließ. Greenleaf reichte Doyle das Foto, der Christine Jones betrachtete, nickte und es zurückgab. Selbst Greenleaf schien das Ganze allmählich nach einer Sackgasse auszusehen.
»Wann ist Miss Jones abgefahren?«
»Keine Ahnung.«
»Sie haben während des ganzen Wochenendes nicht mit ihr gesprochen?«
Tessa Briggs zuckte mit den Schultern, als wäre ihr das nie in den Sinn gekommen. Jetzt betrat eine andere Frau das Zimmer. Ihr Gesicht war rot vor Anstrengung.
»Alles klar«, sagte sie mit einem breiten Grinsen, »ich habe das Crack unter dem Waffenlager versteckt.«
Greenleaf rang sich ein müdes Lächeln ab; Doyle starrte sie nur an.
»Sollte bloß ein Scherz sein«, sagte sie. »Ich bin Rachel Maguire. Worum geht’s?«
Greenleaf registrierte, dass Doyle bei dem Namen unmerklich zusammenzuckte – Maguire. Ein irischer Name, so irisch wie der Name Doyle. Und plötzlich fiel es Greenleaf wie Schuppen von den Augen: Terroristen hatten irische Namen, und das war der Grund, weshalb Doyle sich wegen seines eigenen Namens so zierte.
»Also«, sagte Tessa. »Worum geht es denn nun? Das haben Sie noch gar nicht gesagt.«
»Um Miss Jones«, erwiderte Doyle, der seine Fassung zurückgewann. »Sie wurde heute Morgen überfallen.«
»Überfallen?«, riefen die beiden Frauen entsetzt im Chor. »Ist sie verletzt?«
»Es geht ihr gut«, beruhigte Greenleaf sie. »Sie hat keinen Kratzer abbekommen. Die Angreifer haben sich aus dem Staub gemacht. Ohne Beute.«
»Meine Güte, wie furchtbar! Wo ist es denn passiert?«
»Nicht weit von Covent Garden«, erwiderte Doyle.
»Am helllichten Tag?«
»Die meisten Verbrechen werden am helllichten Tag begangen, Miss.«
»Wo arbeitet Miss Jones?«, fragte Greenleaf.
»Sie ist Beamtin«, antwortete Tessa.
»Sie arbeitet im Wirtschaftministerium«, erklärte Rachel. »Irgendwo an der Victoria Street.«
»Ganz am Anfang der Victoria Street«, fügte Tessa hinzu. »Nummer 1 bis 16 oder 1 bis 18 oder so ähnlich.«
Greenleaf und Doyle tauschten erneut einen Blick aus. Victoria Street... nur ein Katzensprung vom Konferenzzentrum entfernt.
»Wie kam sie Ihnen in letzter Zeit vor?«, fragte Greenleaf. »Ich meine, wirkte sie vielleicht irgendwie besorgt?«
Die Frauen zuckten mit den Achseln. »Was hat das damit zu tun, dass sie überfallen wurde?«, wollte Tessa wissen.
»Nichts«, erwiderte Greenleaf. »War nur so eine Frage.«
»Aber jetzt sagen Sie mir mal eins«, meldete sich Rachel zu Wort, »wenn sie überfallen wurde und keinen Kratzer abgekriegt hat, was wollen Sie dann eigentlich hier?«
Darauf gab es keine Antwort, also zauberte Greenleaf eine aus dem Ärmel.
»Reine Routine, Miss, wie ich schon sagte. Bei Überfällen wie diesem prüfen wir später gerne noch einmal nach, ob das Opfer sich an weitere Einzelheiten erinnert.«
»Aha, eine Täterbeschreibung zum Beispiel?«
»Ja, genau.«
Doyle erhob sich. »Wie auch immer, wir würden uns jedenfalls gern mit Miss Jones unterhalten, sobald sie
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