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Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
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grinste.
    »Ich habe nie behauptet, die Hexe hätte keinen Sinn für Humor«, fügte er hinzu. Dann erhob er sich und ging ins Haus.
    Barclay stellte fest, dass seine Hand leicht zitterte, als er sein Glas aufnahm. Es war sein drittes Glas Wein, davor hatte er schon zwei Biere getrunken. Sein drittes und letztes Glas, ansonsten hätte er Schwierigkeiten zurückzufahren. Er sah auf die Uhr. Es war spät geworden. Innerhalb der nächsten Stunde musste er auf jeden Fall aufbrechen. Er wusste immer noch nicht, was er hier eigentlich sollte. Und er war immer noch neugierig.
    Etwas knallte auf den Tisch. Er blickte sich um und sah, dass Elder direkt hinter ihm stand. Er hatte sich vollkommen geräuschlos genähert. Auf dem Tisch lag eine prall gefüllte Dokumentenmappe mit geöffnetem Deckel, aus der jede Menge Blätter und Hochglanzfotos hervorquollen und sich über dem Tisch ausbreiteten.
    »Das Hexen-Dossier«, erklärte Elder und setzte sich wieder.
    »Mir hat man gesagt, es gäbe kein Dossier über die Hexe.«
    »Hat Joyce Ihnen das gesagt? Tja, das hier ist das, was ich einst zusammengetragen habe.« Elder klopfte auf die Dokumentenmappe. »Was ich Ihnen bisher erzählt habe, waren die Fakten, an denen es nichts zu rütteln gibt. Das hier sind Mutmaßungen. Und meinen Mutmaßungen zufolge beginnt alles schon einige Jahre vor dem Hassan-Attentat. Genauer gesagt 1982, während des Papst-Besuches in Schottland.« Elder langte in die Mappe und zog drei große Schwarzweißfotos heraus. »In jenem Sommer stattete ein weiterer Tourist Edinburgh einen Besuch ab. Wolf Bandorff.« Elder reichte Barclay das Foto. Es war eine Nahaufnahme einer Zuschauermenge, auf der drei oder vier Personen zu erkennen waren, im Fokus zwei von ihnen: ein junges Paar. Der Mann hatte eine lange dichte Mähne und trug eine Brille mit runden Gläsern. Er blickte dem vor ihm stehenden Zuschauer über die Schulter. Für Barclay sah er aus wie ein Doktorand. Neben ihm eine junge Frau mit langem, glattem schwarzem Haar und dunkel geschminkten Augen. In den Sechzigern hätte sie als Model durchgehen können.
    »Vermutlich haben Sie nie von Wolf Bandorff gehört«, stellte Elder fest, wartete jedoch, bis Barclay den Kopf schüttelte. »Habe ich mir schon gedacht. Er wird in irgendeinem Computer gespeichert sein, und das entschuldigt unser schlechtes Erinnerungsvermögen und unsere Unfähigkeit zu lernen. Er war ein westdeutscher Terrorist. Ich sage ›westdeutscher‹, weil die glorreiche Wiedervereinigung noch nicht stattgefunden hatte, und ich sage ›war‹, weil er zurzeit eine Haftstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Nähe von Hannover absitzt. Der deutsche Geheimdienst hat uns damals einen Wink gegeben, dass Bandorff sich in Großbritannien aufhalte. Es gab ein paar falsche Fährten, bevor wir ihn schließlich in Edinburgh aufgespürt haben. Als er Wind davon bekam, dass wir an ihm dran waren, ist er zusammen mit seiner Freundin untergetaucht. Diese Fotos sind der dürftige Lohn für unsere Zeit und Mühe, die wir investiert haben.«
    Barclay legte die Fotos hin und wartete. Elder fasste erneut in die Mappe und zog ein einzelnes Foto in ähnlichem Format heraus. »Die Freundin war Bandorffs Akolyth. Wissen Sie, was ein Akolyth ist?«
    »Jemand, der dabei ist, etwas zu lernen, oder?«
    Elders Augen schienen im Dämmerlicht zu funkeln. Der Garten wurde inzwischen hauptsächlich von den Lichtern aus dem Inneren des Cottages beleuchtet. »Richtig«, sagte er leise. »Jemand, der dabei ist, etwas zu lernen. In ihrer Anfangszeit hat sie sich Männern angeschlossen, den Anführern verschiedener Gruppen. Auf die Weise hat sie schnell gelernt und zugleich an Macht und Einfluss gewonnen. Außerdem konnte sie auf diese Weise Kontakte knüpfen.« Er reichte Barclay das Foto. »Diese Aufnahme ist vor knapp vier Jahren entstanden, nach dem Hassan-Attentat und der Entführung in Italien. Während der Operation Hexenmeister.«
    Barclay blickte auf. »Hexenmeister?«
    »Den Namen hat sich jemand ausgedacht, der auf Rollenspiele steht. Und er passte nicht einmal, denn wie wir bald herausfanden, hatten wir es nicht mit einem Mann zu tun, sondern mit einer Frau, die offenbar allein arbeitete. Falls sie nach irgendeinem Muster vorgeht, würde ich sagen, sie schließt sich einer Gruppe an oder bringt sie zusammen, plant dann etwas, das eine finanzielle Belohnung verspricht – einen Banküberfall, eine Entführung oder einen Auftragsmord. Und anschließend

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