Kassandra Verschwörung
ihr Gesicht etwas unauffällig wirkte. Ihr Outfit war perfekt.
Das Gleiche traf für Separts Wohnung zu. Er selbst war fett und hatte kurz geschorenes, grau werdendes Haar und einen angegrauten Bart. Er trug eine verblichene Jeans, die an den Knien und Knöcheln schlabberte, am Bauch jedoch eng saß. Außerdem hatte er ein kurzärmliges gestreiftes Hemd an. Seine Augen funkelten hinter dicken Brillengläsern. In seinem Mund oder zwischen seinen Fingern hing unablässig eine starke, in gelbes Papier gerollte Zigarette. Und er zündete sich den nächsten Glimmstängel an der Glut des soeben gerauchten an.
Nachdem er sie hereingebeten hatte, ging Separt zurück an seinen Arbeitstisch. »Ich bin sofort für Sie da«, sagte er. »Ich muss nur noch einem Gesicht den letzten Schliff geben...«
Den Großteil der Wohnung nahm ein einziger, mit einem dicken Teppich ausgelegter Raum ein. An einer Seite standen mehrere Architektentische, über denen verstellbare Schreibtischlampen angebracht waren. Hier arbeitete Separt an seinen Cartoons. Hinter ihm befanden sich Wandregale mit diversem Handwerkszeug, alten Comicbüchern, Zeitschriften und verschiedenen Zeitungsausschnitten. An den Wänden hingen Fotos von Politikern, von denen einige feinsinnig und aufschlussreich von dem Cartoonisten verändert worden waren. Über eins, das den Premierminister seines Landes darstellte, musste Barclay lachen. Es zeigte den Mann aus einer Suppenschüssel auftauchen. Die Bildunterschrift lautete »Prime Minestrone«.
Separt schien sich unbändig über Barclays Reaktion zu freuen. Er kicherte und machte sich dann an seiner letzten Karikatur zu schaffen, indem er sie mit wirrem Haar versah.
In der Nähe der Arbeitstische stand ein Computer, den Barclay neugierig musterte. Er dachte, es handle sich vielleicht um eine Paintbox, eines jener erstaunlichen Geräte, die von einigen Künstlern und Grafikdesignern verwendet wurden. Aber es war nur ein stinknormaler alter Personalcomputer.
Auf der anderen Seite des Raums hatte Dominique es sich bereits auf dem extrem langen Sofa bequem gemacht. Auf dem Boden lagen überall leere Wein- und Bierflaschen herum, dazwischen standen überquellende Aschenbecher voller Zigarettenstummel und Pappfilter von Joints. Separt, der aufgrund ihres kurzen Gesprächs über die Gegensprechanlage informiert war, dass er Besuch von zwei Polizeibeamten erhielt, schien nicht im Geringsten bekümmert. Zwei Seiten des Raums bestanden komplett aus großen Fenstern. An einer Seite konnte man hinausgehen auf eine kleine Dachterrasse. Der Blick über die Stadt war atemberaubend.
»Wie kann er bei der Aussicht vor der Nase überhaupt arbeiten?«, wunderte sich Barclay. Dominique übersetzte die Frage, und Separt, der seine Zeichenfeder mit einer schwungvollen Geste auf den Tisch geworfen hatte, strahlte erneut, bevor er antwortete.
»Er sagt«, übersetzte Dominique, »dass er die Aussicht gar nicht mehr wahrnimmt. Sie fällt nur noch Besuchern auf.« Separt und Barclay lächelten einander an, und Separt bedeutete seinem englischen Gast, neben Dominique auf dem Sofa Platz zu nehmen. Barclay folgte der Aufforderung, wohingegen Separt den bereitstehenden Stuhl ignorierte, sich vor seinen Besuchern auf den Boden plumpsen ließ und sich mit ausgestreckten Beinen und übereinandergeschlagenen Füßen auf seine hinter sich ausgestreckten Arme stützte, sodass er aufrecht vor ihnen saß. Er hatte einen schelmischen Blick, als ob jeder Moment seines Lebens eine Offenbarung wäre und zugleich eine Gelegenheit, Spaß zu haben. Doch Barclay registrierte, dass Dominique ihre Knie fest zusammenpresste, weshalb er sich fragte, ob es vielleicht eher andere Gründe für Separts Wahl seiner Sitzposition gab …
Sein Französisch wurde schnell besser, und er verstand das meiste des folgenden Gesprächs.
»Ihr Auto wurde gestohlen, Monsieur«, begann Dominique mit über dem Klemmbrett gezücktem Stift.
»Klar, sonst wären Sie ja nicht hier.« Separt strahlte wieder.
»Stimmt«, bestätigte Dominique. Sie spielte ihre Rolle einer Polizistin in der Ausbildung gut. Aber Barclay fragte sich, wie sie sich wohl herausgeredet hätte, wenn Separt ihre Dienstmarke hätte sehen wollen. Sie hatten sich auf der Fahrt zu Separts Wohnung über diese Frage Gedanken gemacht. Allerdings waren sie zu keiner Lösung gekommen.
»Ich lasse mir etwas einfallen, wenn die Situation eintritt«, hatte sie gesagt und es dabei belassen.
»Aber Sie sind einer der
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