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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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gehen.«
    Waylock beobachtete ihn aufmerksam. Olaf Gerempskys Gesicht veränderte sich überhaupt nicht. Es war so ruhig und entspannt und offen wie das eines nichtsahnenden Versuchskaninchens. Dies war also offenbar die falsche Methode.
    »Olaf Gerempsky«, sagte Waylock streng. »Ihre Lebenslinie ist in Dritte aufgestiegen. Herzlichen Glückwunsch, Olaf Gerempsky! Sie sind nun Dritte!«
    Der Gesichtsausdruck blieb unverändert, und die Augenlider hoben sich nicht. Doch Waylock glaubte, den matt schimmernden Funken eines neuen Identitätsgefühls erkannt zu haben, der zögernd den Kokon aus tiefer Melancholie durchdrang. »Olaf Gerempsky, Dritte – Olaf Gerempsky, Dritte«, fuhr Waylock in dem Tonfall fort, den er sich in der Nische vor dem Haus des Lebens angeeignet hatte. »Olaf Gerempsky, Sie gehören nun der Einstufungsphyle Dritte an, Olaf Gerempsky, Sie sind Dritte!« Doch das schwache Glühen war mutlos in die finsteren Tiefen der Umnachtung zurückgesunken.
    Waylock trat zurück, musterte die wie eingefroren wirkende Miene des Patienten und runzelte die Stirn. Dann beugte er sich ganz nahe zu dem ausdruckslosen Gesicht Olaf Gerempskys hinab.
    »Leben«, flüsterte er. »Leben! Leben! Ewiges Leben!«
    Die Züge streiften ihre Fesseln aus melancholischer Starre nicht ab. Doch tief aus dem Innern tropfte der Hauch eines unbeschreiblichen Kummers – eine Trauer, die man empfinden mochte, wenn man den verblassenden Glanz eines Sonnenuntergangs betrachtete. Der Schimmer verglühte, und die Züge waren wieder so unbewegt und nichtssagend wie zuvor. Waylock beugte sich noch näher und spitzte die Lippen.
    »Tod«, sagte er rauh. »Tod!« Das abstoßendste Wort der ganzen Sprache, die widerwärtigste Obszönität. »Tod! Tod! Tod!«
    Waylock beobachtete das Gesicht. Nach wie vor zeigten sich keine Veränderungen in den Zügen, doch unter dieser Maske begann sich etwas zu regen. Waylock hob den Kopf ein paar Zentimeter und starrte in alles andere verdrängender Konzentration hinab.
    Olaf Gerempsky riß die Augen auf. Sein Blick zitterte nach rechts und links, fixierte sich dann auf Waylock. Die Pupillen glühten wie zwei Fackeln. Die Lippen formten einen Trichter – die obere rollte sich bis zur Nase hoch, die untere sank hinab und offenbarte die gefletschten Zähne. Er gab einen gurgelnden Laut von sich, öffnete den Mund – und dann löste sich ein entsetzlicher Schrei aus Olaf Gerempskys Kehle. Scheinbar ohne eine einzige Muskelbewegung sprang er von der Liege in die Höhe. Seine Hände schnappten nach Waylocks Hals, doch Waylock war bereits zurückgesprungen. In seinem Rücken spürte er ein kühles Hindernis: Die Stahlstäbe mit dem torischen Energiegitter dazwischen waren automatisch aus dem Boden geschnellt.
    Gerempsky stürzte sich auf Waylock, und seine Hände waren wie Schraubstöcke. Waylock gab einen heiseren Schrei von sich und schlug auf die ihn umklammernden Arme ein. Es war, als kämpfte er gegen zwei massive Eisensäulen. Er versetzte Gerempsky einen Hieb ins Gesicht. Gerempsky kippte zur Seite.
    Waylock zerrte an dem glänzenden Abschirmgitter. »Hilfe!« brüllte er.
    Gerempsky fiel erneut über ihn her. Waylock versuchte, ihn wegzustoßen, aber der Irre bekam seine krause neue Jacke zu fassen. Waylock stürzte zu Boden, und Gerempsky wälzte sich über ihn. Auf Händen und Füßen kam er wieder in die Höhe, doch der Tobende klammerte sich wie ein Kalmar auf seinem Rücken fest. Waylock warf sich zur Seite, rollte herum und riß sich los. Seine Jacke blieb in Gerempskys Händen zurück. Waylock krabbelte um die Liege herum, floh hinters Bett und schrie gellend um Hilfe. Gerempsky ließ ein schallendes und triumphierendes Geheul erschallen und sprang ihm nach. Waylock verkroch sich unter dem Bett. Gerempsky legte eine kurze Pause ein, um die Jacke mit großem Nachdruck in Fetzen zu reißen und warf dann einen Blick unter die Liege. Waylock stellte mit Befriedigung fest, daß er außerhalb der Reichweite des Rasenden war. Gerempsky sprang mit einem Satz über die Liege hinweg, um ihn von der anderen Seite aus zu packen, doch Waylock rollte sich rasch herum.
    Auf diese Weise nahm das Spielchen einige Minuten lang seinen Fortgang: Gerempsky sprang hin und her, und Waylock rollte sich jeweils auf die andere Seite. Dann postierte sich Gerempsky auf dem Bett und rührte sich nicht mehr. Waylock unter ihm saß in der Falle. Er konnte nicht beide Seiten zugleich im Auge behalten, und lag er in der

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