Kaste der Unsterblichen
sich unterhalten. Das Café Dalmatia? Nein. Basil Thinkoup? Nein. Seth Caddigan? Bestimmt nicht gerade die liebenswürdigste Person auf der Welt, und er hatte gegenüber Waylock nur wenig Sympathie offenbart – doch warum nicht?
Waylock hatte plötzlichen Impulsen schon immer nachgegeben, und so trat er in die Kommunische und aktivierte das Anschlußverzeichnis. Das Bild auf dem Schirm verschwamm, als die Namen vorbeiglitten. A … B … C … Ca … Caddigan … Seth Caddigan. Waylock justierte den Fokus auf diesen Namen und betätigte die Ruftaste.
Seth Caddigans Gesicht erschien auf der Bildfläche. »Oh … Waylock.«
»Hallo, Caddigan. Wie waren die Vorlesungen?«
»Ungefähr wie immer.« Caddigan war einsilbig und schien auf der Hut.
Waylock erfand einen Vorwand für den Anruf. »Sind Sie noch sehr beschäftigt? Ich habe hier ein Problem, und Sie könnten mir vielleicht mit einem Rat weiterhelfen.«
Caddigan war nicht sehr begeistert, lud Waylock aber ein, bei ihm vorbeizukommen. Waylock machte sich sofort auf den Weg. Caddigan wohnte in Vauconford, einem östlichen Vorort von eher zweifelhaftem Ruf. Die Zimmerwände in seiner Wohnung waren in lebhaftem Braun, Melonenrot, Schwarz und der Farbe von Mostrich gehalten. Die Einrichtung bestand aus Stilmöbeln, schlichten Glas- und Metallgebilden, Glatthölzern und Textilbespannungen. Für die Beleuchtung sorgten drei ballonförmige, blaßgelbe Lumineszenzwolken, die hier und dort durch das Appartement schwebten. Karikaturen hingen an den Wänden, und auf dem langen und niedrigen Bücherschrank standen sonderbare Objekte aus Keramik. Waylock fand den Gesamteindruck ziemlich exzentrisch.
Zu Waylocks zusätzlicher Überraschung hatte Caddigan eine Frau, die zwar ebenso groß und von vergleichbar schlichtem Äußeren wie er selbst war, sich jedoch sehr munter gab, viel Charme besaß und Waylock mit ausgesuchter Freundlichkeit begegnete.
Caddigan stellte sie als Pladge vor und sagte säuerlich: »Pladge hat mich bereits überholt und ist Keil. Sie arbeitet als Bühnenbildnerin und scheint ihre Sache recht gut zu machen.«
»Als Bühnenbildnerin!« platzte es aus Waylock heraus. »Daher also die … die …«
Pladge Caddigan lachte. »Die Antiquitäten? Sprechen Sie es ruhig aus, genieren Sie sich nicht. Alle glauben, wir seien schrullig. Aber es ist nur so, daß wir das Material mögen, aus dem sie bestehen, die Art der Verarbeitung. Sie sind solider und einfallsreicher gestaltet als viele der heute als modern geltenden Dinge.«
»Die Einrichtung weist eine recht ausgeprägte persönliche Note auf«, sagte Waylock.
»Ja, sie hat in der Tat Stil. Aber wenn Sie mich nun entschuldigen würden … ich muß mich wieder um meine Studien kümmern. Ich beschäftige mich gerade mit Kaleidochromie. Eine hochinteressante Thematik – aber genauso schwierig wie Trichronologistik.«
Pladge schob ihre eigenartig kantige Gestalt aus dem Zimmer, und Caddigans Blick folgte ihr mit melancholischem Stolz. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Waylock, der einen Teil der Wand betrachtete, dem er vorher kaum Beachtung geschenkt hatte. Er war tapeziert mit Steigungs-Berichten vom Aktuarius. Die sich ständig wiederholenden Linien, Winkel, Kurven und ausgedruckten Kommentare bildeten ein gefälliges Muster.
»Dort hängt sie«, bemerkte Caddigan in einem sarkastischen Tonfall. »Die Aufzeichnung unserer Triumphe und Niederlagen, bar aller Geheimnisse, für jeden offen ersichtlich. Unsere Biographie, das Bild unserer beider Leben. Manchmal glaube ich, ich wäre besser Lulk geblieben. Ein kurzes, aber ausgelassenes und fröhliches Leben.« Sein Tonfall veränderte sich. »Also gut, Sie sind hier. Was haben Sie auf dem Herzen?«
»Ich nehme an, ich kann auf Ihre Diskretion zählen?« fragte Waylock.
Caddigan schüttelte den Kopf. »Verbale Zurückhaltung gehört nicht zu meinen Stärken. Obwohl ich weiß, daß ich besser vorankäme, wenn das der Fall wäre.«
»Nun, können Sie das, was ich Ihnen zu sagen beabsichtige, vertraulich behandeln?«
»Offen gesagt«, erwiderte Caddigan, »kann ich für gar nichts garantieren. Es tut mir leid, wenn Ihnen das grob und unhöflich erscheint, aber es ist besser, wenn wir jedes Mißverständnis vermeiden.«
Waylock nickte. Da er in Wirklichkeit gar kein Problem hatte, war er durchaus einverstanden damit. »Dann behalte ich meine Gedanken besser für mich.«
Caddigan nickte. »Was allemal klüger ist. Obwohl es in diesem Fall
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