Kaste der Unsterblichen
halten und ihn von Schmutz und Abfall zu säubern. Es war eine Aufgabe, die jemandem zustand, der den Abschluß an einer Hilfsschule nicht geschafft hatte.
Waylock schluckte seinen Ärger hinunter und machte sich an die Arbeit. Reeve sah einige Augenblicke zu, und Waylock glaubte, stille Belustigung in den Zügen seines Vorgesetzten zu entdecken. »Ich weiß, daß ich mich noch ein wenig ungeschickt anstelle«, sagte Waylock, »aber wenn ich erst einige praktische Erfahrung mit dieser Tätigkeit gesammelt habe, werde ich bestimmt damit fertig.«
Aus Reeves angedeutetem Lächeln wurde ein breites Grinsen. »Jeder muß irgendwo anfangen«, sagte er. »Und dies hier ist Ihre Startlinie. Wenn Sie vorankommen wollen, dann empfehle ich Ihnen die Fortbildung bei …« Und er nannte eine Reihe von technischen Kursen, deren Absolvierung zu einer höheren Qualifizierung führte. Kurz darauf überließ er Waylock seinen Pflichten.
Waylock arbeitete ohne großen Enthusiasmus, und nach der Schicht des ersten Tages kehrte er müde in seine Wohnung zurück. Das Gespräch mit Der Jacynth erschien ihm nun unwirklich und grotesk … Er warf einen raschen Blick zurück. Bestimmt folgte ihm jemand – oder schwebte vielleicht ein Spionfunke in seiner Nähe? Er mußte auf der Hut sein während seiner Transaktionen. Am besten war es, wenn er sie alle im Innern des Aktuarius’ in die Wege leitete, denn dort konnten Abhörmechanismen nicht wirksam werden.
Am nächsten Tag versuchte er ein Gespräch mit Vincent Rodenave zu arrangieren, aber Rodenave hatte dienstfrei. Statt dessen traf er sich mit Basil Thinkoup zum Mittagessen im Kellerrestaurant.
»Wie kommen Sie in Ihrem neuen Tätigkeitsbereich voran?« fragte Waylock.
»Wirklich bestens.« Basils Augen glänzten. »Ich habe bereits eine Beförderung in Aussicht, und nächste Woche testen wir einen meiner Vorschläge.«
»Wie sieht der aus?«
»Ich hatte immer den Eindruck, daß die den jeweiligen Antragstellern ausgehändigten Lebenskarten kalt und, nun, irgendwie entmenschlicht sind. Ich glaube, man kann sie verbessern. Jede dieser Karten weist genügend Platz für eine Mitteilung auf, einen anfeuernden Leitspruch, einen dem Verlauf der Lebenslinie entsprechenden Ratschlag, vielleicht auch für einen kleinen, heiteren Vers.«
»Die individuelle Mitteilung könnte auf die Art der Karriere des jeweils Betroffenen abgestimmt werden«, stimmte Waylock zu. »Mahnung, Jubel oder Trost, wie es der Einzelfall gerade erfordert.«
»Eine ausgezeichnete Innovation!« rief Basil aus. »Wir wollen, daß die Öffentlichkeit den Aktuarius als eine humane Institution betrachtet, die dem Wohl von uns allen dient. Diese kleinen Mitteilungen werden die Kugel ins Rollen bringen.« Er sah Waylock zärtlich an. »Ich bin hocherfreut, daß …«
Die Luft vibrierte plötzlich im Dröhnen von Alarmglocken und Sirenen. Alle Besucher des Restaurants erstarrten, die Gesichter kalkweiß und ausdruckslos, als beträfe der überraschende Alarm eine Schuld, die jeder von ihnen zu verbergen trachtete.
Waylock stellte Basil eine Frage, aber die Worte gingen in dem Heulen unter. Ein Mann stürzte in die Caféteria. Er war schlank und hohlwangig, und sein Haar glich einem wehenden Banner. Sein Atem ging so rasch wie der eines erschrockenen Vogels. Alle sahen ihn, und alle wandten den Blick von ihm ab.
Er setzte sich und schien dahinzuschmelzen, sich wie eine Schnecke in ihr Gehäuse zurückzuziehen. Er legte die Arme auf den Tisch, stützte den Kopf darauf ab und schloß die Augen; der Mund öffnete und schloß sich rhythmisch.
Drei schwarzuniformierte Männer stürmten ins Restaurant. Sie starrten nach rechts und links, marschierten dann quer durch den Raum und packten den Flüchtling bei den Armen. Sie zerrten ihn auf die Beine und brachten ihn fort.
Das Kreischen des Alarms verklang. Die darauf folgende Stille war betäubend. Niemand sprach ein Wort, niemand rührte sich. Dann begannen sich die ersten Gäste zögernd zu bewegen, und das Murmeln von Gesprächen lebte wieder auf.
»Armer Teufel!« sagte Basil.
»Schaffen sie ihn direkt in den Prangerkäfig?« fragte Waylock.
Basil zuckte mit den Achseln. »Vielleicht verprügeln sie ihn zuerst, wer weiß? Der Mann wird nicht als Verbrecher behandelt, sondern als jemand, der sich der Blasphemie schuldig gemacht hat.«
»Ja«, murmelte Waylock. »Der Aktuarius ist der geweihte und heilige Tempel von Clarges.«
»Es ist ein großer Fehler«, erklärte
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