Kastell der Wölfe
meinen Sohn bitte nicht. Er hat es verdient.«
»Das wissen wir«, sagte Bill.
Nach einem kräftigen Händedruck des Abschieds wandten wir uns dem Parkplatz zu.
Zwar hatte Bill den Porsche im Schatten abgestellt, aber als wir die Türen öffneten, da fuhr uns ein Schwall Hitze aus dem Innern entgegen. Gleichzeitig verdrehten wir die Augen und blieben erst mal draußen stehen, schafften Durchzug und schwitzten vor uns hin.
Minuten später setzten wir uns in den Wagen. Es war etwas besser geworden.
Nach dem Start schaltete Bill die Klima-Anlage ein und schloss die Fenster. »So lässt es sich besser aushalten.«
Eine kalte, aber auch eine unnatürliche Luft wehte durch das Fahrzeug, streichelte unsere Gesichter.
Wir befanden uns im Süden des Landes auf der A275, eine Ausweichstrecke, die auch von vielen Menschen benutzt wurde, wenn diese in Richtung Brighton fuhren, dem wohl bekanntesten Seebad unseres Landes. Da wir innerhalb der Woche fuhren, war die Straße nicht sehr voll. Sie führte durch eine weiche hügelige Landschaft, die eben so typisch für diese Gegend war. Es gab Kornfelder und große Schafherden, kleine Bäche, Wälder und Orte, die fast wie in die Landschaft hineingegraben wirkten.
»Idyllisch, nicht?«, meinte Bill.
Ich nickte.
»Da kommt man direkt auf die Idee, mal über ein Landhaus nachzudenken.«
»Ach.« Ich musste lachen. »Vorhin hast du gesagt, du möchtest hier nicht tot über’m Zaun hängen oder so ähnlich.«
»Nicht für immer.«
»Aber am Wochenende?«
»Ja«, stimmte er zu.
»Und Sheila?«
»Sie ist das Problem, John. Sie liebt ihr Haus und ihren Garten. Den Garten immer mehr. Ich denke nicht, dass ich sie von ihrer Scholle wegbekomme.«
»Das ist auch mal gut so«, stellte ich fest.
Bill schmunzelte. »Obwohl sie Schafe liebt. Immer wenn sie die Herden sieht, geht ihr das Herz auf.«
»Super. Dann schau mal an mir vorbei nach links.«
Bill senkte das Tempo. Er wollte einen Blick an mir vorbeiwerfen und konnte einen breiten Hang beobachten.
Dort standen die Schafe. Sie grasten friedlich im Schein der Sonne und schienen die zufriedensten Tiere der Welt zu sein.
»Das ist also für Sheila das Höchste?«, vergewisserte ich mich mit einem Grinsen.
»So ungefähr.«
Da Bill noch immer recht langsam fuhr, würde es etwas dauern, bis wir die große Herde passiert hatten. Es war auch ein Schäfer zu sehen, der wirklich auf einen langen Stock gestützt wie eine Märchengestalt dastand und seine Tiere beobachtete. Zwei Hunde umliefen sie mit langsamen Bewegungen. Sie achteten darauf, dass kein Schaf verloren ging.
»Das ist wirkliche Idylle!«, erklärte Bill.
»Schieß mal ein Foto. Das kannst du Sheila mitbringen und ihr erklären, dass der Schäfer noch eine Aushilfe braucht.«
»Lieber nicht. Dann kommt sie sich auf den Arm genommen vor. Sie hat sowieso schon Spott zu ertragen. Auch von Johnny.«
»Kann ich sogar verstehen.«
Eigentlich hätten wir die Herde jetzt passieren müssen, stattdessen trat Bill auf die Bremse. Er hatte etwas gesehen, was auch mir aufgefallen war.
So ruhig die Herde dagelegen oder auch gestanden hatte – damit war es jetzt vorbei!
Die Hunde meldeten sich als Erste. Wir glaubten sogar, ihr Bellen zu hören. Das konnte allerdings auch reine Einbildung zu sein. Keine Einbildung waren die Bewegungen der Herde, und sie hatten sich verändert. Es sah so aus, als wären die Tiere aufgescheucht worden, denn nicht eines blieb an seinem Platz liegen.
Panik?
Ja, Sekunden später erlebten wir die Panik der Tiere, und die hatte ihren Grund.
Von der Hügelkuppe her lösten sich die Gestalten, die im ersten Moment aussahen wie Hunde. Das traf nicht zu. Was da aus der Deckung gekommen war, hatte graue Körper und ein struppiges Fell.
Bill sprach aus, was auch ich dachte. »Verflucht, das sind Wölfe!«
***
Es gibt immer wieder die verrücktesten Überraschungen im Leben, obwohl ich auf solche gern verzichten konnte, denn ich fragte mich sofort, woher diese Wölfe kamen.
Das war einfach verrückt. Hier gab es offiziell keine, und doch hatten wir uns nicht getäuscht.
Die Tiere ließen sich nicht aufhalten. Sie rannten in die Herde hinein. Auch der Schäfer stand nicht mehr gestützt auf seinen Stock da. Er wollte seine Tiere verteidigen. Eines der grauen Tiere hetzte mit langen Sprüngen genau auf ihn zu.
Der Schäfer riss seinen Stab in die Höhe. Er wollte ihn dem Tier in den Körper rammen, aber der Wolf war schlau. Es stieß sich
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