Kastell der Wölfe
rechtzeitig genug ab und sprang über den Stock hinweg direkt auf den Schäfer zu. Beide prallten zusammen, der Mann verlor das Gleichgewicht. Er kippte auf den Rücken, und es war zu befürchten, dass ihm der Wolf an die Kehle ging – aber der rannte einfach weiter.
Ein Hund stellte sich ihm in den Weg. Es würde zum Kampf kommen. Da erhielt der Wolf Unterstützung. Sein Artgenosse hetzte von der Seite heran, und urplötzlich musste sich der Hund gegen zwei Wölfe verteidigen. Drei Körper wälzten sich ineinander verbissen über den Boden, und nur einer blieb Sekunden später zuckend liegen.
Es war der Hund.
Mit blutigen Schnauzen rannten die Wölfe weiter. Sie hatten regelrecht Furchen in die Herde hineingerissen. Die Schafe stoben in die verschiedensten Richtungen auseinander. Sie waren von einer irren Panik erfüllt und hatten auch keinen Beschützer mehr. Jetzt, da sich die Reihen gelichtet hatten, sahen wir, dass der zweite Wachhund von dem anderen Paar Wölfe angegriffen worden war und den Kampf ebenfalls nicht überstanden hatte.
Kein Schaf wurde gerissen. Die Wölfe hatten sich nur den Weg bahnen wollen. Sie rannten weiter auf einen grünen Fleck im Tal zu. Es war ein Waldstreifen, der sich in Richtung Chailey hinzog.
Bill und ich waren nicht im Wagen geblieben. Das mussten wir uns einfach aus der Nähe anschauen. Plötzlich hatte die Sonne für einen Moment ihre Kraft verloren. Zwar fühlten wir uns nicht wie in einem Eiskeller, aber so ähnlich schon. Es war natürlich sinnlos, eine Verfolgung der Wölfe aufzunehmen, aber wir mussten uns um den Schäfer kümmern. Der saß am Boden und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Wie es aussah, war er nicht schwerer verletzt worden.
Bill und ich keuchten den Hang hoch. Die Schafe hatten sich verteilt. Ihr Blöken zeugte von der Angst, die ihnen zu schaffen machte. Die Hunde lebten nicht mehr. Ihre Körper bluteten in den heißen Strahlen der Sonne aus.
Uns lief wirklich die Suppe aus allen Poren, als wir neben dem Schäfer stehen blieben. Ich musste ihn an der Schulter rütteln, um mich bemerkbar zu machen.
Jetzt erst ließ er die Hände sinken. Wir sahen, dass er einige Kratzer im Gesicht hatte.
Es war ein recht junger Mann, der nur durch seinen dunklen Bart älter wirkte, in den Augen leuchtete die Angst, die ich ihm nahm, als ich erklärte, wer wir waren.
»Sie haben alles gesehen?«, fragte er.
»Ja!«
»Und die Schafe?«
»Denen ist nichts passiert«, sagte Bill. »Die Wölfe sind praktisch durch die Herde gelaufen. Aber Ihre Hunde leben leider nicht mehr, Mister...
»Ich heiße Frank.« Er hatte die Worte geflüstert und drehte sich danach von uns weg, weil wir ihm den Blick auf seine beiden toten Hunde nahmen. Er stand da und schluckte. Sein Adamsapfel bewegte sich heftig. Das Gesicht war blass und schweißbedeckt, jetzt sahen wir auch, dass Tränen aus seinen Augen liefen, während er sich zu seinen toten Tieren begab.
Seine Herde war überall verstreut. Bill und ich blieben zurück, schauten uns fragend an.
Mein Freund flüsterte: »Wölfe in dieser Gegend?«
»Kaum möglich, wie?«
»Du sagst es.«
»Aber wir haben sie gesehen«, murmelte ich. »Und ich weiß auch, in welch eine Richtung sie gelaufen sind. Auf die Straße zu, die nach Chailey führt.«
»Glaubst du daran, dass das ihr Ziel gewesen ist?«
»Es sah so aus.«
Bill nickte vor sich hin. »Nur Wölfe?«, fragte er schließlich mit einem bestimmten Unterton in der Stimme.
Ich begriff ihn. »Du denkst einen Schritt weiter?«
»Ja. Werwölfe!«
Es war eigentlich Unsinn, dass wir daran dachten. Aber man konnte uns als gebrannte Kinder bezeichnen, weil wir schon oft genug mit Werwölfen zu tun gehabt hatten. Nur hatten diese nicht eben wie Werwölfe ausgesehen, das stand nun auch mal fest.
»Sag was, John!«
Ich hob die Schultern. »Tut mir Leid, aber ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Ich will nicht daran glauben, dass wir es damit zu tun haben. Ist das ein Gebiet für Werwölfe? Stimmen hier die Gegebenheiten überhaupt? Wir haben keine Nacht, es steht kein voller Mond am Himmel. Nein, daran glaube ich nicht.«
»Dafür an normale Wölfe?«
»Ja, das ist...«
»Wo sind sie denn hergekommen?«, unterbrach Bill mich.
Ich drehte mich nach links und schaute den begrasten Abhang hoch. Das war auch nicht die perfekte Umgebung für diese Tiere. Normalerweise hielten sie sich in ihren Verstecken auf, aber nicht auf einer freien Fläche. Ich rechnete eher
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