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Kastell der Wölfe

Kastell der Wölfe

Titel: Kastell der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wundert sich, auch wenn er kein schlechtes Gewissen hat.
    Man merkte, dass hier ein Kind lebte. Im Flur stand ein Rad, und an einer Extragarderobe hingen zwei kleine Windjacken.
    »Ihr Mann ist nicht anwesend?«, erkundigte ich mich.
    »Leider nicht. Er muss arbeiten. Ich rechne erst am Abend mit ihm. Er ist Physiker und in der Forschung tätig. Da kann man sich nie auf einen normalen Feierabend verlassen.«
    »Egal«, sagte ich.
    »Wieso?«
    »Es geht uns auch um Mr. Wilson.«
    Esther May schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich alles nicht so recht. Was hat Mr. Wilson mit Ihnen zu tun?«
    »Bisher nur indirekt, Madam.«
    Sie lächelte etwas kantig und sagte mit leiser Stimme: »Da bin ich mal gespannt.«
    »Das dürfen Sie auch sein.«
    Wir waren ins Wohnzimmer gegangen und fanden dort unsere Plätze in bequemen Sesseln mit Holzgestellen aus Kiefer. Als uns die Frau des Hauses etwas zu trinken anbot, sagten wir nicht Nein.
    Uns gegenüber saß der Tierarzt. Er hatte die Hände gefaltet und die Arme zwischen seine ausgebreiteten Beine sinken lassen. In seinem Blick entdeckten wir keine Falschheit, eher Neugierde. Er zog sich die Jacke aus und meinte dabei: »Ich denke, dass es wohl etwas länger dauert.«
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte Bill zu.
    »Mich wundert nur, dass Sie mich kennen.«
    »Wir haben es bereits an Ihrer Praxis versucht.«
    Der Tierarzt schwieg. Dann presste er seine Lippen zusammen und schluckte.
    »Bei Ihnen zu Hause, Dr. Wilson«, betonte ich.
    »Ja, ja, ich habe Sie schon verstanden. Aber was haben Sie denn bei mir gewollt?«
    »Sie lassen sich neue Fenster einbauen?«
    Mit dieser Frage hatte der gute Mann wohl nicht gerechnet. Er wusste plötzlich nicht mehr, wohin er schauen sollte, und auch seine lockere Haltung verschwand.
    »Ja, ich lasse mir neue Fenster einbauen«, erklärte er. »Das hat mal sein müssen.«
    Es lag auf der Hand, dass er mit dem wahren Grund nicht herausrücken wollte, aber so weit waren wir noch nicht.
    Mrs. May betrat das Zimmer. Auf einem Tablett standen die Getränke bereit. Wasser und Saft. So konnten wir eine Schorle herstellen.
    Ich trank das Wasser pur. Ich bemerkte, dass Dr. Wilsons Hand beim Einschenken zitterte. Er war ziemlich nervös und atmete einige Male scharf die Luft ein.
    Esther May ließ sich ebenfalls in unserer Nähe nieder, und sie war es, die eine Frage stellte. »Jetzt erklären Sie mir doch mal, um Himmels willen, weshalb Sie zu mir gekommen sind?«
    Ich übernahm die Antwort und ging dabei nicht eben rücksichtsvoll zu Werke. »Uns geht es um Wölfe, und ich denke, dass auch Sie möglicherweise darüber Bescheid wissen.«
    Das wussten der Tierarzt und Esther May, auch wenn sie nichts sagten. Manchmal sprechen Blicke Bände, und das war auch hier der Fall. Nur hielten sie sich zurück.
    »Bitte, Sie können und müssen uns vertrauen«, erklärte ich. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Diese Wölfe... Sie sind bei uns nicht nur eine Theorie. Wir haben sie selbst zu Gesicht bekommen.«
    »Wann?«, fragte Dr. Wilson. Er saß plötzlich so steif wie ein Stock in seinem Sessel.
    »Heute. Vor rund zwei Stunden.«
    »Und wo?«
    Ich wies in Richtung Fenster. Durch die blank geputzte Scheibe war ein Teil des langgezogenen Hügelhangs zu sehen.
    »Sie kennen den Schäfer Frank?«, fragte ich wie nebenbei.
    »Natürlich«, sagte Wilson.
    »In seine Herde sind vier Wölfe eingebrochen. Sie haben seine Hunde blitzschnell getötet, aber keine Schafe gerissen. Offenbar hatten sie ein, anderes Ziel.«
    »Welches?«
    »Chailey!«, sagte Bill.
    Vor uns saßen zwei Menschen, die nicht wussten, was sie sagen sollten. Ihre Lippen waren verschlossen, als hätte man sie plötzlich zugenäht. Dass Schweiß auf ihren Stirnen lag, dazu trug nicht nur die Wärme ihren Teil bei. Es war auch ein Aufwallen der Gefühle, das sie gepackt hielt.
    Mrs. May fasste sich als Erste. »Das ist ja einfach furchtbar. Wölfe? Hier?«
    »Waren die Tiere nicht schon mal hier im Ort?«, fragte ich und schaute dabei Dr. Wilson an. »Wir haben mit dem Chef der Schreiner gesprochen. Er erzählte uns von Tieren, die angeblich durchgedreht sind und die Fenster zerstört haben.«
    »Das habe ich ihnen erzählt«, flüsterte Wilson.
    »Sehr gut. Und die Tiere waren Wölfe?«
    Er nickte.
    Es herrschte Schweigen in der Runde. Jeder wartete darauf, dass einer etwas sagte. Bill und ich waren nicht an der Reihe. Die andere Seite hatte jetzt Vorrang.
    Bis ich es leid war. »Was wollten sie von

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