Kastell der Wölfe
spielen sollte, und diesmal war die Wahl auf Timmy gefallen.
Timmy fühlte sich immer stärker, weil er ein Jahr älter war, aber die Kämpfe gingen oft unentschieden aus und liefen nach dem gleichen Ritual ab.
Es begann mit dem gegenseitigen Belauern. Das geschah in bestimmten Verstecken, wobei sich der eine immer eines aussuchte, wenn der andere gerade nicht hinsah. Die große Suche fing an, und wenn sie sich gefunden hatten und sich gegenüberstanden, begann der Kampf.
Natürlich besaß auch Timmy eine Waffe. Er verzichtete auf die Laserschwerter. Von seinem Bauch hing ein Strahlenkiller – ein schwarzer Kasten, in dessen Innern sich eine Batterie befand. Drückte man auf einen bestimmten Kontakt, dann schickte dieser Kasten einen grellen Strahl ab, der den Gegner blenden sollte, sodass er unaufmerksam wurde und zunächst nicht wusste, wo er zu suchen hatte.
Alles war geklärt. Die beiden Jungen hatten sich in der alten Scheune jeweils ein Versteck gesucht. Es roch nach frischem Heu, das auf der oberen Etage lagerte. Timmy’s Vater hatte den Jungen verboten, nach oben zu klettern, weil eben das frische Heu dort lagerte. Ansonsten konnten sie sich bewegen, wo sie wollten.
Archie lag in guter Deckung. Er hatte einen hohen Heuballen entdeckt, der wie ein dicker Stempel aufragte. Seine Oberfläche war breit genug, um dort einen bequemen Platz zu finden.
Timmy lauerte woanders. Er würde sich anschleichen, und dann wollte ihn Archie von oben her angreifen. Auch in seinen Schwertgriffen steckten Batterien. Wenn er auf die Kontakte drückte, glühten die Klingen in einem grellen Grün auf, und er war bereit für den Angriff.
Ein Schwert hatte Archie gezogen und es neben sich gelegt. So gut ihm der Platz auch vorgekommen war, jetzt ärgerte er sich schon, dass er hier lag, denn das Stroh kitzelte ihn. Der Geruch war so intensiv, dass er ein Niesen nur mit Mühe unterdrücken konnte. Lange würde er das nicht mehr aushalten können, und dann würde das Geräusch Timmy den Weg weisen.
Noch hörte er nichts von ihm. Timmy verhielt sich ebenso schlau wie sein Freund. Zudem hatte er die Tür der Scheune so weit geschlossen, dass nur noch wenig Licht in den großen Raum fiel und die auf dem Boden liegenden Strohreste aufglänzen ließ.
Es juckte in Archies Nase immer stärker. Er bewegte sie, er zog sie hoch, sein Gesicht veränderte permanent den Ausdruck. Es bestand innerhalb weniger Sekunden aus zahlreichen Grimassen, und noch konnte er die Explosion unterdrücken.
Aber er musste sich dabei mehr auf sich selbst konzentrieren und konnte kaum noch auf Timmy achten. Das passte ihm nicht. Er hätte lieber durch konzentriertes Horchen erfahren, wo Timmy entlangschlich. Da dessen Vater ihnen verboten hatte, in die obere Etage zu klettern, konnte er sich nur unten aufhalten.
Archies Kopf platzte fast. Das Gesicht hatte schon eine rote Farbe bekommen. Die Augen quollen hervor, und Archie konnte sich nicht mehr länger zurückhalten.
Er nieste!
Was heißt niesen? Das glich schon einer Explosion. Die Wucht trieb ihn beinahe in die Höhe, und aus seinem Körper schien sich das Innere nach außen drängen zu wollen. Nach der Explosion erfolgte der Schrei. Der Kopf, der ebenfalls in die Höhe geglitten war, fiel wieder nach unten, und Archie prallte mit dem Kinn auf den harten Ballen.
Dann war es vorbei!
Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so stark geniest zu haben.
Das Spiel war natürlich aus, das hörte er am Lachen seines Freundes. »Hä, hä, ich habe dich!« Archie gab keine Antwort.
»He, bist du gestorben?«
»Nein!«
»Wenn du runterkommst, zerstrahle ich dich. Du kannst auch vorher aufgeben, dann habe ich die Tüte mit dem Weingummi gewonnen. Fünf Sekunden lang kannst du überlegen.«
Archie hatte alles gehört. Aber das interessierte ihn nicht, denn ihm war ein anderer Vorgang entgangen. Jemand hatte das Tor zur Scheune aufgedrückt und war auf der Schwelle stehen geblieben.
Archie hatte nur Augen für das Wesen.
Es war ein Wolf!
***
Archie lag da, als hätte man seinen Körper mit Eisblöcken zusammengepresst. Das Auftauchen des Vierbeiners war kein Spaß mehr. Mit seinen zehn Jahren hatte er trotzdem einen Blick für gewisse Gestalten. Er wusste sofort, dass er es nicht mit einem Hund zu tun hatte. Er spürte auch, wie sein Herz anfing, schneller zu schlagen.
Timmy, der auf dem Boden stand, dem Eingang den Rücken zudrehte und in die Höhe schaute, kam das Verhalten seines Freundes nicht
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