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Kastell der Wölfe

Kastell der Wölfe

Titel: Kastell der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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flüsterte er...
    Archie May ging, lief, stolperte, raffte sich wieder auf, lief weiter und führte einen fast verbissenen Kampf gegen die Erschöpfung. Er konnte nicht anders. Er musste gehen, die andere Seite hätte ein Zögern nicht zugelassen.
    Die andere Seite, das waren die vier Wölfe, die ihn immer wieder vorantrieben und ihm sogar halfen, wenn er nicht mehr konnte. Er war des Öfteren gefallen, hatte sich dann wieder aufraffen können, um weiterzugehen. Manchmal schlurfte er nur über den Boden. Er hatte Durst, er wollte zu seinen Eltern. In seiner Lunge brannte es, und manchmal wurde ihm auch übel. Aber die Tiere kannten kein Pardon und trieben ihn weiter. Manchmal mussten sie ihn sogar vom Boden hochzerren.
    So weit wie an diesem Tag hatte sich Archie noch nie alleine von seinem Elternhaus entfernt. Wenn er mit seinen Freunden spielte, dann woanders und nicht hier am Hang. Und erst recht nicht auf der anderen Seite, vor der sogar die Erwachsenen sich fürchteten.
    Das letzte Stück kroch Archie May auf Händen und Füßen. Da unterschied er sich in seiner Gangart kaum von den Tieren. Seine Augen brannten. Er atmete den Staub ein, den er bei seinen Bewegungen in die Höhe wirbelte.
    Die Welt um ihn herum verschwand. Der Junge nahm nichts mehr wahr. Er bewegte sich automatisch weiter, bis er irgendwann wirklich nicht mehr konnte. Da brach er zusammen und blieb auf dem Bauch liegen.
    Die vier Wölfe schienen zu wissen, dass Archie am Ende war. Sie umliefen ihn, sie stießen ihn mit ihren Schnauzen an, leckten auch mal übers Gesicht – aber das alles merkte Archie nicht. Er lag auf der Seite, die Augen offen, ohne etwas zu sehen, und der Atem drang stoßweise aus seinem halb geöffneten Mund.
    Er sah nichts, er hörte nichts. Tiere umsummten ihn. In seinem Kopf war ebenfalls das Summen zu hören, als hätten sich dort zahlreiche Geister versammelt.
    Er merkte auch nicht, dass die vier Wölfe ihn verließen. Archie blieb liegen, schlief nicht ein, aber sein Gehirn zauberte ihm Bilder vor, die etwas Trost schufen.
    Er sah sich zu Hause bei seinen Eltern. Er sah sich im Zimmer, umgeben von den Spielsachen. Er hörte seine Mutter lachen und mit ihm reden, und auch die Stimme des Vaters klang zwischendurch auf.
    Etwas prallte in das Gesicht des Jungen.
    Archie zuckte zusammen.
    Es waren Wassertropfen, die ihn getroffen hatten. Er wollte in die Höhe zucken, doch er fand nicht die Kraft und blieb deshalb auf der Erde liegen.
    Wieder erwischten ihn die Tropfen. Sie taten ihm gut. Er hörte auch so etwas wie eine Stimme, die ihn aus seinen eigenen Gedanken hervorriss. Dann kippte ihm jemand kaltes Wasser über den Kopf.
    Da öffnete er die Augen noch weiter. Neben sich sah er einen Schatten. Er hörte Geräusche, die an ein Flüstern erinnerten, ohne dass er in der Lage war, etwas zu verstehen. Aber sein Kopf wurde angehoben, und genau das war wichtig. Jemand drückte ihm gegen den Rücken und brachte ihn durch diese Bewegung in eine sitzende Haltung. In der blieb er auch – wenn auch nur, weil er gestützt wurde.
    Das kalte Wasser hatte ihm gut getan, auch wenn er noch nichts davon getrunken hatte.
    Das änderte sich. Etwas wurde gegen seine Lippen gedrückt. Er spürte die Kälte, öffnete den Mund, und das Wasser rann ihm die Kehle hinab.
    Für ihn war es in diesem Augenblick wirklich ein Lebenselixier. Es tat ihm gut. Es war wie ein Traum, der sich plötzlich erfüllte.
    Archie trank gierig. Er hörte sich schmatzen und schlürfen. Er merkte, wie das Wasser an seinen Mundwinkeln entlang nach unten rann, doch er konnte nicht genug davon bekommen.
    Irgendwann war Schluss, und das Gefäß wurde ihm wieder vom Mund gezogen. Archie konnte es im ersten Moment nicht begreifen, fasste nach und griff ins Leere.
    Bis ihm klar wurde, dass er die Augen öffnen musste. Er hatte sich bisher dagegen gewehrt und sie strikt geschlossen gehalten. Jetzt öffnete er die Augen.
    Vor ihm schwebte ein Gesicht.
    Kein Schrei, nur ein erstickter Laut drang aus seinem Mund. Er sah das Gesicht. In seinem Innern rumorte es. Er wusste nicht, wie er die Lage einschätzen sollte. Seine Gedanken rasten.
    Sonst hatte ihn das »Gesicht« besucht, diesmal war er, Archie, zu ihm gekommen – wenn auch nicht freiwillig. »Du bist es?«
    Der Junge konnte plötzlich lächeln. Die Sorge aus seinen dunklen Augen war verschwunden. Da schien sich wirklich eine Tür geöffnet zu haben, die alle Last von ihm nahm.
    Das Wolfskind rückte ein Stück

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