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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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»Da kann man nichts machen. Wen’s trifft, den trifft’s.«
    »Wie heißen Ihre Bautzener Bekannten oder Geschäftsfreunde?«
    erkundigte sich der Beamte. »Irgend jemand wird sich doch finden lassen, der Ihr Alibi nachweist!«
    Herrn Struve wurde allmählich schwül zumute.
    »Teufel noch mal!« rief der Kommissar. »Sie werden ja doch wohl nicht nur nach Bautzen gefahren sein, um dort nicht zu übernachten!«
    »Nein.«
    »Oder wollten Sie nur die alten Stadtmauern und Türme betrachten?«
    »Nein. Ich fuhr nach Bautzen, um jemanden zu sprechen.«
    »Wie heißt die Person?«
    »Nicht Hoch, Herr Kommissar! Es handelt sich um keine Person, sondern um eine Dame!« Er fuhr sich durch die blonde Mähne.
    »Bautzen besitzt nämlich ein Stadttheater. Und eine weibliche Kraft dieser Bühne stand mir einst nahe. Damals war sie noch nicht in Bautzen. Sondern erst seit einer Saison. Ich fuhr hin, um sie zu sprechen. Ich stellte mich nach der Vorstellung an den Bühnenausgang und wartete auf sie. Sie kam auch heraus.«
    »Nicht möglich«, stellte der Kommissar fest.
    »Aber ehe ich mich ausreichend bemerkbar machen konnte, gab ihr bereits ein anderer Mann die Hand. Ich wollte nicht stören. Die beiden gingen Arm in Arm fort. Und ich begab mich auf den Bahnhof.«
    »Sie sind wirklich zu bedauern«, erklärte der Kommissar. »So etwas von keinem Alibi erlebt man selten.« Er dachte nach und fragte dann: »Aber vorgestern waren Sie in Berlin?«
    Struve sagte erleichtert: »Vorgestern? Ja!«
    »Ausgezeichnet! Wie ist Ihre Telefonnummer? Wir wollen Ihr Dienstmädchen anrufen.«
    »Tut mir leid. Ich habe kein Dienstmädchen. Meine Wohnung ist so klein…«
    Der Kommissar winkte ungeduldig ab. »Wo wohnt Ihre Aufwartung? Ich schicke einen Beamten hin. Oder haben Sie auch keine Aufwartung, Herr Struve?«
    »Doch! Selbstverständlich! Aber meine Aufwartung kommt nur zweimal in der Woche. Und vorgestern war sie nicht in meiner Wohnung.«
    »Lieber Herr Struve! Meine Geduld ist stadtbekannt. Ich frage Sie daher in aller Ruhe: bei wem wünschen Sie, daß ich mich erkundigen soll?«
    »Ich wüßte im Augenblick nicht, wen ich vorschlagen sollte. Ich war in den letzten Tagen immer zu Hause.«
    »Und immer allein?«
    »Eben, eben«, sagte Struve. »Ich habe nämlich eine Partitur für sechzig Instrumente ausgeschrieben. Das ist eine Viechsarbeit. Und als ich damit fertig war, fuhr ich – «
    »Nach Bautzen«, ergänzte der Kommissar.
    »Ganz recht. Was haben Sie eigentlich gegen Bautzen?«
    »Fast gar nichts«, erwiderte der Kommissar. Dann erhob er sich, verschränkte die Arme auf der Brust und fragte: »Herr Struve, wo haben Sie die Miniatur?«
    »Was denn für eine Miniatur?« fragte der andere überrascht.
    »Haben Sie noch nie etwas von Heinrich VIII. gehört?«
    »Doch, doch. Aber was hat denn das mit Bautzen zu tun, Herr Kommissar?«
    »Und von Anna Boleyn?«
    »Natürlich!«
    Der Kommissar beugte sich vor. »Und von Holbein dem Jüngeren?«
    »Gewiß, auch von dem«, gab Struve zu.
    »Aber die Miniatur, die Holbein von Anna Boleyn malte und die Heinrich VIII. zum Geschenk erhielt – die kennen Sie nicht?«
    »Nein, die kenne ich wirklich nicht. Ich bin ja schließlich kein Kunsthistoriker, mein Herr! Ich bin Musiker!«
    »Freilich!«
    »Ich habe den Eindruck, daß es Sie überhaupt nicht interessiert, daß ich in Bautzen war!« Struve war ehrlich gekränkt. »Auf der anderen Seite ist es mir völlig schleierhaft, was die Miniatur einer geköpften Engländerin mit Kopenhagen zu tun hat. Und warum Sie darauf Wert legen, daß ich nicht in Bautzen, sondern in Kopenhagen war. Seien Sie doch so freundlich und erklären Sie sich näher!«
    »Nein«, sagte der Kommissar. »Ich habe vorläufig genug davon, mich mit Ihnen zu unterhalten!« Er drückte auf einen Klingelknopf.
    Ein Polizeibeamter erschien.
    »Führen Sie Herrn Struve wieder ab!« befahl der Kommissar und trat ans Fenster.

15. KAPITEL
    EIN SKATKLUB HAT KUMMER
    Kurz hinter Gransee wurden einige Mitglieder des »Rostocker Skatklubs 1896, E.V.« rebellisch. Und Storm, der sonst immer auf Seiten seines Chefs stand, gab ihnen recht.
    »Worauf wartest du eigentlich?« fragte er nervös. »Wie lange sollen wir denn noch Wanderlieder schmettern und in den Dörfern den dummen August spielen? Laß endlich Paulig aus seiner Dampfwalze herausholen, was drin ist! Wir wollen den jungen Mann einholen und ihm einige Löcher in seine Reifen schießen. Dann knöpfen wir ihm den Holbein ab

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