Kastner, Erich
schwieg sich aus.
»Wer lügt, der stiehlt!« meinte Külz aufgebracht. »Da habe ich mich ja wieder einmal von oben bis unten mit meiner Menschenkenntnis blamiert! In Bautzen ist er gewesen, ausgerechnet in Bautzen! Und übernachtet hat er nicht, und getroffen hat er keine Seele!
Das ist ja ein ganz ausgekochter Junge!«
Der Kommissar sagte: »Ich habe veranlaßt, daß Herr Struve vorgeführt wird. Wir werden sehen, ob er in Ihrer Gegenwart die Stirn hat, bei seinen Behauptungen zu bleiben.«
Fräulein Trübner erschrak. »Er kommt hierher? Ich möchte gehen!«
»Ausgeschlossen!« erklärte der Kommissar.
Fleischermeister Külz streichelte ihre Hand, so sanft er’s vermochte. »Sie können sich ja hinter meinem Rücken verstecken«, flüsterte er.
Das Telefon läutete.
Der Kommissar hob den Hörer ab und sagte: »Führen Sie ihn herein!« Dann wandte er sich an seine Gäste und hob den großen Bleistift wie ein Dirigent. »Herr Struve wird sofort erscheinen.«
Papa Külz machte sich noch breiter, als er war, und rückte seinen Stuhl vor den der jungen Dame.
Die Tür ging auf.
Von einem Polizisten begleitet, erschien Herr Rudolf Struve aus der Holtzendorffstraße. Er war mit seinem Humor am Ende und schaute finster drein. Sollte er denn schon wieder erzählen, daß er gestern in Bautzen war?
»Mir geht der Hut hoch!« rief Herr Külz. Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf den kleinen dicken Herrn mit der Künstlermähne, und dann lachte er schallend und mit staunenswerter Ausdauer.
Er lachte übrigens nicht allein. Sondern Fräulein Trübner schloß sich seinem Beispiel an. Ihr Lachen klang freilich nicht ganz so laut und nicht ganz so vergnügt. Und zum Schluß zog sie sogar ihr Batisttuch aus der Handtasche und fuhr sich über die Augen. Doch auch ihr war es mit dem Lachen ernst gewesen.
Der Kommissar und der inhaftierte Komponist schauten einigermaßen verdutzt drein.
Herr Struve ergriff als erster das Wort. »Auf so viel Beifall war ich nicht gefaßt«, sagte er mürrisch. Und weil das Lachen nicht aufhörte, stampfte er mit dem Fuß auf und schrie: »Bin ich denn hier als Clown engagiert, Herr Kommissar?«
»Entschuldigen Siel« rief Külz, »Sie haben recht. Ich benehme mich sehr unhöflich. Ich habe Sie bestimmt nicht ausgelacht. Aber es ist ja zu komisch!« Er begann von neuem zu lachen. Er sah den Kommissar an und meinte: »Ich kenne den Herrn nämlich gar nicht!«
Der Kommissar beugte sich weit vor und fragte: »Was soll das heißen? Sie kennen Herrn Struve nicht?«
»Nein«, antwortete Fräulein Trübner. »Wir hatten noch nicht das Vergnügen.«
»Sind das die Herrschaften, mit denen ich in Kopenhagen gewesen bin?« erkundigte sich der Komponist ironisch.
»Vielleicht war er doch in Bautzen!« rief Papa Külz und mußte wieder lachen.
»Herr Kommissar«, meinte Struve gekränkt. »Sie haben mich doch nicht etwa interviewt, um Leuten, die ich nicht kenne, Einblick in mein außerordentlich diffiziles Privatleben zu gewähren?«
»Die Herrschaften kennen einander tatsächlich nicht?« fragte der Beamte zweifelnd.
»Nein!« entgegneten alle drei.
»Entschuldigen Sie!« bat Külz. »Aber heißen Sie wirklich Rudi Struve? Und wohnen Sie faktisch in der Holtzendorffstraße?«
»Donnerwetter noch einmal!« brüllte der Komponist. »Nun wird mir’s aber zu bunt! Erst glaubt man mir nicht, daß ich in Bautzen war, und will mir suggerieren, ich sei in Kopenhagen gewesen! Und jetzt hat man sogar etwas dagegen, daß ich in Charlottenburg wohne und Struve heiße! Eins darf ich Ihnen verraten: Ich bin zwar aus Künstlerkreisen. Aber so verrückt wie hier geht’s bei uns nicht einmal im Fasching zu!«
Er fuhr sich durch die Locken und zitterte wie rote Grütze.
»Herr Struve heißt Struve«, erklärte der Kommissar. »Das unterliegt keinem Zweifel.«
»Und in der Holtzendorffstraße wohne ich auch!« rief Struve.
»Leider! Sonst wäre ich heute früh nicht aus dem Bett geholt worden! Die Herren, die so reizend waren, mich zu wecken, werden das bestätigen können!«
»Selbstverständlich, mein Herr«, sagte der Kommissar und legte alle Sanftmut, deren er fähig war, in seine Stimme. »Wir sind einem Irrtum zum Opfer gefallen. Man hat uns mystifiziert. Es hat sich jemand, der einige Tage in Kopenhagen war und vergangene Nacht spurlos aus Warnemünde verschwand, Ihres Namens und Ihrer Adresse bedient. Wer es war, das werden wir, wie ich fürchte, so bald nicht erfahren. Ob es ein Bekannter
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