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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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Kerl erwürgen! Erst klaut er uns den Holbein vor der Nase weg, und dann macht er sich noch mit einem Polizisten über uns lustig!«
    Herr Philipp Achtel fuchtelte mit den Händen in der Luft herum.
    »Und diesem Halunken«, schrie er hysterisch, »dem wollt ihr nur die Autoreifen kaputtschießen? Da hört sich ja alles auf! Wer das verlangt, der gehört in den Tierschutzverein, aber nicht hierher!«
    Professor Horn war blaß geworden. Man konnte sehen, wie sich seine Kaumuskeln unter der Haut bewegten. »Stopp!« rief er. Und als ihn die anderen ansahen, meinte er: »Er muß ja an uns vorbei.
    Wir wollen auf ihn warten.«
    »Ist gemacht«, brummte Paulig. Der Autobus fuhr langsam. Der Autobus hielt.
    »Genug gescherzt!« sagte Professor Horn. »Dieser Lump ist imstande, uns die Polizei auf den Hals zu hetzen! Es hat alles seine Grenzen. Wenn er an uns vorbei kommt, machen wir ihn fertig!«
    »Das erste vernünftige Wort!« erklärte der Ringkämpfer. »Darf ich um den Vorzug bitten, mit ihm abzurechnen?«
    »Schön. Hau ihm eins über die Fontanellen, daß er für die nächsten Stunden den Rand hält!«
    Der Ringkämpfer wurde traurig und fragte: »Warum nur für die nächsten Stunden? Warum nicht für ein paar Jahre länger?«
    »Kein Wort weiter!« sagte Professor Horn.
    Sie saßen stumm in ihrem Autobus und warteten auf den grauen Opel. Die Luftballons bewegten sich leise.
    »Achtung!« rief einer. »Er kommt!«
    Der Ringkämpfer reckte sich. Die Revolver wurden entsichert.
    Der Chauffeur hielt sich in Bereitschaft. Über die Getreidefelder wehte der Wind. Die Ähren verneigten sich im Chor. Eine Lerche stieg tirilierend empor. Und aus dem Anschlag der Rostocker Skatbrüder wurde nichts!
    Denn der graue Opel kam nicht allein des Wegs. Nebenher radelte der Feldgendarm und unterhielt sich mit dem jungen Mann.
    Die Gauner steckten ihre Schießeisen weg und wußten nicht, was sie machen sollten.
    Der Chef rief: »Wollt ihr gleich lustig sein, ihr Idioten? Ihr habt wohl lange keine Tüten geklebt?«
    Das wirkte.
    Die Skatbrüder erwachten aus ihrer Lethargie. Sie sangen, gröhlten und schwenkten ihre Luftballons, als befänden sie sich auf dem Oktoberfest.
    Der graue Opel und der Feldgendarm machten halt.
    Die Insassen des obskuren Autobusses übertrafen sich selber. Ihre Heiterkeit kannte keine Greifen mehr. Herr Philipp Achtel jodelte, als sei er in Berchtesgaden zur Welt gekommen. Der kleine Herr Storm sang mit fistelnder Kopfstimme. Professor Horn schlug sich wie ein Schuhplattler auf beide Schenkel. Karsten lieferte die notwendigen Baßtöne.
    Der junge Mann im grauen Opel meinte: »Ein heiteres Völkchen!
    Da könnte man fast neidisch werden, Herr Wachtmeister! Na, alles Gute allerseits!« Dann hob er zum Gruß einen Finger an die Hutkrempe und fuhr im Schnellzugstempo davon.
    Der Feldgendarm trat zu dem Autobus. »Darf ich mal den Führerschein sehen?« fragte er. »Wenn man sich schon die Knochen bricht, soll man es doch nicht ohne behördliche Erlaubnis tun.«
    Paulig, der Chauffeur, fingerte wütend in der Brusttasche herum.
    Schließlich fand er den Führerschein und reichte ihn dem Feldgendarm.
    Der Polizist prüfte das Dokument gründlich. Endlich gab er’s zurück und sagte: »Geht in Ordnung! Aber fahren Sie gefälligst langsamer!« Dann erkundigte er sich nach dem Woher und Wohin und machte auf die nächsten Umleitungen aufmerksam. Er schien viel Zeit zu haben.
    Von dem grauen Opel war schon lange nichts mehr zu sehen.
    Irene Trübner und Fleischermeister Külz waren vom Stettiner Bahnhof aus sofort zum Polizeipräsidium gefahren. Nun saßen sie dem zuständigen Kommissar gegenüber und ließen sich von ihm berichten, was der verhaftete Rudolf Struve ausgesagt hatte. Der Bericht fiel ziemlich ausführlich aus, und die beiden Zeugen verharrten, als der Kommissar geendet hatte, in tiefem Schweigen.
    Endlich raffte sich Herr Külz auf, schlug sich mit der Hand aufs Knie, daß es knallte, und rief: »Nun brat mir aber einer einen Storch!
    Alles hätte ich erwartet, nur das nicht! Wenn er Ihr Zimmer zu Kleinholz verarbeitet hätte, bitte schön! Ein richtiger Zorn ist was Herrliches. Oder er hätte Ihnen sagen können, daß es Sie nichts angeht, wo er gewesen ist. Auch ein Standpunkt! Doch daß er Ihnen weismacht, er sei in Bautzen gewesen, um eine Schauspielerin anzuquatschen, und daß er sich dann nicht einmal getraut habe – das ist zuviel. Finden Sie nicht auch, Fräulein Trübner?«
    Irene Trübner

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