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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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lächelte befriedigt. »Ausgezeichnet! In Gransee halten wir eine Minute. Ich telefoniere noch einmal mit Graumann.
    Er soll ein paar Leute vor der Berliner Garage postieren. Unser junger Freund sitzt in der Falle.«
    »Sogar wenn die Polizei vorher unsern Skatklub hochgehen läßt«, meinte Karsten düster.
    Herr Achtel versetzte ihm einen Rippenstoß. Die anderen sangen, johlten und winkten. Die Dorfbewohner winkten auch. Der Monteur an der Tankstelle grüßte militärisch und lachte übers ganze Gesicht.
    Die Kinder, die neben dem Wagen hergerannt waren, blieben stehen.
    Sie waren vom Lachen und Laufen völlig außer Atem.
    Der Autobus verschwand in einer Staubwolke.
    Ein kleines Mädchen hatte einen roten Luftballon erobert und stolperte damit glücklich nach Hause. – So hat alles sein Gutes.
    Im Berliner Polizeipräsidium wurde inzwischen Herr Rudolf Struve, wohnhaft in Charlottenburg, Holtzendorffstraße 7, von einem Kommissar vernommen.
    Struve war ein kleiner, untersetzter Herr. Mit lebhaften Bewegungen und mit einer blonden Mähne. Er sah sich amüsiert im Zimmer um.
    Der Kommissar hielt eine Art Zimmermannsbleistift in der Hand, klopfte mit dem Stift häufig an die Schreibtischkante und lächelte nachsichtig.
    »Nun, Herr Struve«, sagte er. »Sie sehen hoffentlich ein, daß Ihr Vorhaben mißglückt ist. Erleichtern Sie Ihr Gewissen! Geständnisse verringern unsere Arbeit und Ihr Strafmaß!«
    Dann lehnte er sich zurück, als sitze er im Theater und warte auf die Peripetie des Dramas.
    Herr Struve machte Froschaugen. Ihm war, seit man ihn am frühen Morgen aus dem Bett geholt hatte, so vieles zugestoßen, was er nicht verstanden hatte, daß er sich eigentlich schon gar nicht mehr wunderte. Andrerseits war er natürlich begierig zu wissen, was man von ihm wollte. Es mußte sich doch herauskriegen lassen! Er ergriff also das Wort. »Sehr geehrter Herr Kommissar, ich wäre Ihnen unsäglich dankbar, wenn Sie sich etwas präziser ausdrückten. Schauen Sie, ich will Ihnen wirklich von Herzen gern erzählen, was Sie von mir zu erfahren wünschen. Wenn ich nur erst wüßte, worum sich’s handelt! Läßt sich das machen?«
    Der Kommissar klopfte mit dem Zimmermannsbleistift an die Schreibtischkante. »An der nötigen Präzision soll es gewiß nicht fehlen, Herr Struve.«
    »Das freut mich.«
    »In wessen Auftrag waren Sie in Kopenhagen?«
    Herr Struve zog erstaunt die Brauen hoch.
    »Oder haben Sie auf eigne Faust gehandelt? Das wäre natürlich auch möglich. Entschuldigen Sie, daß ich diese Eventualität erst an zweiter Stelle erwähne.«
    »O bitte sehr«, entgegnete Struve. »Sie huldigen also der Anschauung, ich sei in Kopenhagen gewesen?«
    »Ganz recht. Ich zweifle nicht daran.«
    »Leider ein Irrtum, Herr Kommissar.«
    »Sie waren also gestern nicht in Kopenhagen?«
    »Erraten! Ich war gestern nicht in Kopenhagen. Ich war vorgestern nicht in Kopenhagen. Und ich war, um es kurz zu machen, noch nie in meinem Leben dort! Das mag ein Bildungsmangel sein.
    Aber doch kein Grund, verhaftet zu werden!«
    »Sie waren also gestern zu Hause?«
    »Nein«, sagte Herr Struve. »Das ist ein Trugschluß. Ich war weder in Kopenhagen noch zu Hause.«
    »Schade«, meinte der Kommissar. »Wenn Sie gestern zu Hause gewesen wären, könnte ich Sie jetzt dorthin zurückschicken. Wo waren Sie gestern?«
    »In Bautzen.«
    »Wo?«
    »In Bautzen in Sachsen. Bautzen ist eine sehr malerische Stadt.
    Mit alten Stadtmauern und Türmen. Sie sollten sich Bautzen gelegentlich einmal anschauen.«
    »Gern«, sagte der Kommissar. »Ich danke Ihnen für die Anregung. Sie waren also in Bautzen in Sachsen.«
    »Wir verstehen uns«, erwiderte Struve höflich.
    »Darf ich Sie bitten, mir den Namen des Hotels zu nennen, in dem Sie übernachtet haben? Ich melde ein Gespräch mit Bautzen an.
    Ich lasse mir bestätigen, daß Sie dort waren. Und Sie sind frei.«
    Struve schwieg.
    »Oder sollten Sie vergessen haben, wie das Hotel heißt?« fragte der Kommissar spöttisch.
    »Nein. Aber ich habe in Bautzen gar nicht übernachtet. Sondern ich bin mitten in der Nacht wieder abgereist. Ich gab mich nämlich der trügerischen Hoffnung hin, in meiner Berliner Wohnung ausschlafen zu können. Wenn ich geahnt hätte, daß man mich schon nach einer Stunde herausklingeln und zu Ihnen bringen würde, wäre ich allerdings in dem malerischen Bautzen geblieben.«
    »Sie sind ein Pechvogel«, stellte der Kommissar fest.
    »Seit ich mich kenne«, erwiderte Struve.

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