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Katakomben (van den Berg)

Katakomben (van den Berg)

Titel: Katakomben (van den Berg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Prayon
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irgendwelchen Ärger“, sagte der
Mann mit einer Mimik, die keinen Raum für Zweifel ließ. „Warum ist sie dann
abgehauen?“ „Das war nur der Einfluss dieser Freundin, die hatte so Flausen im
Kopf.“ „Haben sie den Namen?“ „Lucy Brentano, sie wohnt gleich nebenan.“ „Wir
würden gerne Renés Zimmer sehen.“ „Wir haben nichts verändert, seit sie weg
ist“, sagte die Frau, als sie den kleinen Raum betraten. An den Wänden hingen
zwei Poster, eines von Tokio Hotel, das andere von Christina Aguilera. Der
Schreibtisch war offensichtlich von Ikea. Schulhefte und ein paar Bücher lagen
darauf, die Stifte waren ordentlich in einer Dose sortiert. Der Teppich sah aus
wie frisch gesaugt. Deflandre durchsuchte die Schubladen und den
Kleiderschrank. Sie hofften, irgendetwas zu finden, was ihnen darüber
Aufschluss geben konnte, wie dieses Mädchen wirklich tickte, etwa ein Notizbuch
oder persönliche Aufzeichnungen. „Hat Ihre Tochter ein Tagebuch geführt?“
„Nein, das wüssten wir“, sagte der Vater wie aus der Pistole geschossen. Genau
in diesem Moment zauberte Deflandre ein kleines rotes Büchlein aus dem
Schreibtisch hervor. Die Eltern blickten verwundert. „Was ist das denn?“ „Sieht
ganz so aus wie ein Tagebuch“, grinste Deflandre, dem die Leute gehörig auf die
Nerven gingen. „Das ist bestimmt nicht von ihr“, warf die Mutter mit einer
abfälligen Handbewegung ein. „Das hätten wir gefunden.“ „Na ja, es war sehr gut
versteckt“, klärte Deflandre auf, „es war nicht in der Schublade, sondern unten
drunter, mit Klebestreifen befestigt.“ Die Eltern schauten sich ratlos an.
„Ihre Tochter wollte wohl nicht, dass es in unbefugte Hände gerät“, stichelte
Deflandre mit breitem Grinsen. Das Buch war verschlossen. „Ich habe jetzt
keinen Nerv, den Schlüssel zu suchen“, maulte van den Berg und brach das
goldene Schloss mit einem Ruck auf. Balbo verzog leicht angesäuert die
Mundwinkel. Der Kommissar blätterte die Seiten langsam um. „Schau an, ein Tagebuch.
Ist das die Schrift Ihrer Tochter?“ Van den Berg schlug die erste Seite auf.
„Ja, sieht so aus“, sagte die Mutter mit beleidigtem Gesicht. „Sie werden
verstehen, dass wir das mitnehmen müssen.“ Die Polizisten verabschiedeten sich
und entschieden, noch mit Renés Freundin zu sprechen. Viel kam bei der
Befragung nicht heraus. Sie erfuhren, dass die kurze Ausreißaktion einer
spontanen Laune entsprungen war. Ansonsten gab sich die Freundin überaus
einsilbig. „Komische Leute, diese Balbos. Dass René erst ein paar Tage tot ist,
schien sie überhaupt nicht zu interessieren“, meinte van den Berg
kopfschüttelnd. Nicole schwieg.

 
 
 
       9

 
 
    Jorge
gelang es erneut, seine Erscheinung krass zu verändern. Seine Haare rasierte er
auf die überschaubare Länge von fünf Millimetern und tönte sie weißblond. Auch
seine ursprünglich dunklen Augenbrauen glichen nun denen eines Albinos. Der
Killer hatte genügend Finanzreserven, um eine ganze Weile unauffällig leben zu
können. Seine Lage würde bald noch weitaus komfortabler werden, denn er hatte
noch eine Stange Geld von Hugo zu bekommen. Jorge hatte ihm geholfen, die
Mädchen nach Brüssel zu schaffen und er brachte sie um, als der Jäger sie
loswerden wollte. Fünf Jahre lang hatte er die Drecksarbeit für Hugo gemacht,
jetzt wollte er das Geld, das ihm zustand. Hugo hatte ihm immer ein paar Tausend
Euro in die Hand gedrückt. Aber gemessen an dem, was er für ihn getan hatte, waren
das Peanuts. Jorge musste Hugo nur noch ein einziges Mal treffen. Er war in die
Hände der Bullen geraten, er wusste, dass Hugo dafür seinen Tod verlangte. Es
galt, verdammt vorsichtig zu sein.
    Per
Mail schrieb er ihm die Summe, die er verlangte, den Treffpunkt und eine
Uhrzeit. Hugos Antwort kam postwendend. „Das Geld sollst du haben!“ Ich
akzeptiere aber nur den bekannten Ort!“ Jorge überlegte kurz und willigte ein,
er entschied sich, das Taxi zu nehmen.
    Hugo
hatte Jorge Ramos vor zehn Jahren in der Fremdenlegion kennengelernt. Die
meiste Zeit kämpften sie in Bosnien mit den IFOR-Truppen. Sie hatten es im 2.
Infanterieregiment zum Sergent gebracht und schieden zusammen aus. Hugos
besondere Begabung bestand darin, einen Menschen lesen zu können, schnell zu begreifen,
wie jemand tickt. Jorge war so wie er: emotionslos, skrupellos und ohne Moral.
Hugo hatte den Spanier einmal fasziniert dabei beobachtet, wie er auf die
Provokation eines Kameraden reagierte.

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