Katakomben (van den Berg)
Menschen zu beherrschen und zu vernichten, war zu stark. Er
schaffte es nicht, sich dem dominanten Trieb entgegenzustellen. Er beobachtete
eine Gruppe junger Mädchen, die am Tisch gegenübersaß, und dachte sich, dass
sie genau in das Beuteschema des Jägers passte. Er selbst machte sich nicht
viel aus Teenagern. Ihm gefielen gestandene Frauen, an denen er sich reiben
konnte. Aber eine Beziehung war mit dem Leben, das er führte, nicht zu
vereinbaren. Wenn er Lust auf Sex hatte, dann ging er in eines der Bordelle in
der Stadt. Er wechselte die Örtlichkeiten und die Huren regelmäßig, niemals war
er mehr als einmal bei der selben – es war besser, wenn man sich nicht zu sehr
an ihn erinnerte.
14
Hugos
Handy zeigte eine eingehende SMS an. Es konnte also losgehen. Freudig erregt
klappte er sein Notebook auf und stellte fest, dass sich das Zielobjekt
bewegte. Der GPS-Peilsender funktionierte problemlos. Es war bald Mitternacht –
ihm war es am liebsten, die Sache im Schutz der Dunkelheit durchzuziehen. Hugo
beschlich ein sentimentales Gefühl, ihm war klar, dass dies sein letzter Job
war, bevor er für immer aus Brüssel verschwinden würde. Der Wagen bewegte sich
in Richtung Zentrum. Hugo wusste zu schätzen, dass er wahrscheinlich keine
große Strecke fahren musste. Im Wagen checkte er seine 92er Beretta, die er
lange nicht mehr benutzt hatte. Das Magazin war vollgeladen mit fünfzehn
Patronen vom Kaliber neun Millimeter. Den Schalldämpfer würde er nur benutzen,
wenn es unbedingt erforderlich war. Die Beretta war ohne den sperrigen Aufsatz
einfach handlicher. Er legte die Pistole neben sein Notebook auf den
Beifahrersitz. Dann fuhr er los. Diese Aufgabe war eine Herausforderung, die
Mädchen mit einer Giftspritze hinzurichten, war ihm zu simpel. Er war dem Jäger
dankbar dafür, dass er für die Schmutzarbeit einen Killer angeheuert hatte.
Hugo stand der Sinn danach, zu entscheiden, auszusuchen, wer als nächste in die
Katakomben musste und anzuordnen, wo sie zu sterben hatten. Was er jetzt tun
musste, war etwas anderes, etwas Persönliches. Jemand hatte gewagt, ihm in die
Quere zu kommen und das, was er mit dem Jäger aufgebaut hatte, zu zerstören. Er
blickte konzentriert auf sein Notebook. Die Zielperson war noch etwa zwei
Kilometer von ihm entfernt. Der Wagen, den er suchte, fuhr auf den Brüsseler
Ring zu. Hugo fühlte sich richtig gut. Er gab Gas – die Straßen waren um diese
Uhrzeit wieder besser befahrbar – die Straßenkontrollen waren bereits
aufgehoben. So werden sie mich nie kriegen, dachte er sich. Als ihm eine
Polizeistreife mit eingeschalteter Sirene entgegenkam, war er hellwach, er begriff
aber schnell, dass sie es nicht auf ihn abgesehen hatte. Der Verkehr auf dem
Ring lief wieder zügig. Beide Wagen fuhren beinahe gleichzeitig auf den R0 auf.
Hugo registrierte, dass er in die verkehrte Richtung unterwegs war. An der
ersten Ausfahrt machte er kehrt und beschleunigte. Mit Genugtuung sah er, dass
er seinem Ziel immer näher kam, etwa einen Kilometer war der Wagen noch weg.
Hugo wurde immer ungeduldiger. Auf der Schnellstraße konnte er es nicht
erledigen. Er musste das Auto finden und dann abwarten, bis sich eine günstige
Gelegenheit bot. Hugo tippelte auf dem Lenkrad – bald musste der Wagen in sein
Blickfeld kommen. Hugo konnte sich einen Jauchzer nicht unterdrücken, als er
den italienischen Sportwagen erspähte. Die moderne Technik ist doch nicht so
schlecht, sagte er sich, während er sein Notebook zuschlug. Er hielt
großzügigen Abstand – auf keinen Fall durfte sie Verdacht schöpfen. Bei Zaventem
fuhr die Psychologin vom Ring herunter. Sie bemerkte, dass ihr Wagen auf
Reserve lief, sie hielt an der nächsten Tankstelle. Hugo fragte sich, ob sie
ihn bemerkt hatte. Er fuhr an der Station vorbei und wartete hundert Meter
weiter an einer Haltebucht, wo er sich gelassen eine von den Zigarillos
anzündete, die im Handschuhfach deponiert waren. Nicole ließ den Tank randvoll
laufen und nahm eine Coke Zero mit ins Auto. Hugo nahm erst die Verfolgung auf,
nachdem ein weiteres Fahrzeug an ihm vorbei war. Sie kann mir nicht entkommen,
dachte er. Wenn er sie aus dem Blickfeld verlor, würde er sie jederzeit wieder
orten können. Nicoles Handy klingelte. Es war van den Berg, der ihr von dem
merkwürdigen Keller in der Villa berichtete. Sie verabredeten, sich um sieben
im Kommissariat zu treffen. Nicole raste über die Rue de la Fusée, die in
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