Katakomben (van den Berg)
turmhoch überlegen. Es gab nur eine Sache, die an ihm nagte.
Das Duell mit der Polizistin – das hatte er verloren, zumindest die erste Runde.
Die
Interviews mit den geschändeten Mädchen bestätigten das Bild, das van den Berg
von Paul Hugo und Frederique Fontaine hatte – neue Schlüsse konnte er aus den
Erzählungen der Mädchen nicht ziehen. Die beiden Verbrecher hatten in den fünf
Jahren nichts von sich preisgegeben und die Mädchen waren zu bedröhnt gewesen,
um viel mitzukriegen. Nicole nahm die Protokolle der Aussagen mit in die
Mittagspause. Sie hatte vor, auf der Rue Neuve ein paar Einkäufe zu erledigen
und anschließend die Notizen in einem Café zu studieren.
Van
den Bergs Telefon klingelte. Es war der Techniker, der den Rechner aus der
Holzhütte durchgecheckt hatte. „Ich weiß nicht, ob es dir weiterhilft, aber ich
habe die Mailbox sichern können. Eine Stunde vor dem Zugriff im Wald wurde eine
Nachricht gesendet.“ „So beschissen, wie es aussieht, hilft uns alles weiter“,
erwiderte van den Berg gespannt. „Wir haben die E-Mail-Adressen des Absenders
und des Empfängers und natürlich den Text, aber der wird euch nicht vom Hocker
hauen.“ „Schieß los!“ „Wie geht es weiter?“ „Mehr nicht?“ „Nein, ich würde
gerne mit mehr dienen – andere E-Mails waren im Postfach nicht gespeichert. Ich
versuche, über den Provider mehr rauszubekommen.“
Van
den Berg verabredete sich mit Nicole im Belga. Der Kommissar bedauerte, dass der
Szene-Laden, der seit Langem sein Lieblingslokal war, mittlerweile einen
dunklen Schatten hatte. Seine Gewohnheiten zu ändern, fiel ihm nicht im Traum
ein. Der Kommissar beobachtete ein knutschendes Liebespaar auf jener Bank, auf
der Jorge Ramos die letzten Minuten seines Lebens verbracht hatte. Er fragte
sich, ob sie wohl weitermachten, wenn sie von dem Blutbad wüssten. Plötzlich jagte
ein Adrenalinstoß durch seinen Körper. Jetzt wusste er, wie er Hugo und
Fontaine kriegen konnte – beide auf einen Streich. Als van den Berg erfuhr, was
die Auswertung von Hugos Notebook ergeben hatte, war er leicht niedergeschlagen.
Den Aufenthaltsort der beiden Verbrecher konnten sie nicht ermitteln. Aber sie
hatten Hugos E-Mailadresse und sie hatten die von Fontaine. Van den Berg wurde
schlagartig klar, dass es einen Weg gab, an die beiden heranzukommen – man
musste ihnen nur eine Falle stellen. Nicole merkte gleich, dass ihr Partner in
bester Stimmung war, als sie ihn vorne an der Bar erspähte. Nicole trug einen
dunklen Mantel, der mit einem Tigerfellimitat verziert war. „Schick schaust du
aus“, meinte der Kommissar, als die Psychologin auf ihn zukam. „Wir kriegen
sie!“, rief er mit einem strahlenden Lächeln. „Ich habe gleich gemerkt, dass du
was auf Lager hast“, erwiderte Nicole, während sie den Kommissar prüfend ansah.
„Wir kennen ihre E-Mailadressen, das ist unsere Chance – wir machen sie
gemeinsam fertig, alle beide.“ Nicole lächelte halb skeptisch, halb amüsiert.
„Wie willst du das machen? Warum sollten Hugo und Fontaine uns zuliebe ihre
sichere Deckung verlassen?“ „Hugo ist immerhin schon zweimal großes Risiko
gegangen und hat dabei sein Leben aufs Spiel gesetzt.“ „Stimmt, als jemand
seine Regeln gebrochen hat.“ „Hugo ist clever, aber er ist leicht zu reizen und
er neigt zu Leichtsinn, denn er hat eine gute Serie – vielleicht hält er sich sogar
für unschlagbar“, sagte van den Berg mit einem süffisanten Grinsen. „Wenn du
seinen Nerv triffst, wird er kommen, aber was ist mit Fontaine?“ „Das wird eine
viel schwierigere Nummer, vielleicht ist er längst im Ausland mit einer neuen
Identität. Eigentlich gibt es nichts, was ihn nach Belgien zurücktreiben
könnte.“ „Du sagst eigentlich …“ Der Kommissar strahlte. „Da gibt es etwas ...“
Nicole bewunderte van den Bergs Scharfsinn. Wenn jemand Fontaine und Hugo schnappen
konnte, dann er. Dem Kommissar war klar, dass sein Plan nicht legal war. Selbst
wenn, hätte er sich Vermeulens Okay holen müssen. Und der hätte seinen
Absichten definitiv einen Riegel vorgeschoben. Er würde die Sache mit Nicole
allein durchziehen, jedenfalls fast. Für Fontaine brauchte er einen Lockvogel
und er fand, dass Frank De Gruye für den Job am besten geeignet war. Van den
Berg zahlte.
Der
Kommissar rief De Gruye in sein Büro. „Du hast verdammt gute Arbeit gemacht und
uns sehr geholfen“, meinte der Kommissar. Der junge Polizist lächelte freudig.
Er fragte
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