Katakomben (van den Berg)
beschreiben. „Hugo!“ Van den Berg schlug die Hände
vors Gesicht. „Wie krank ist das denn? – wir haben fünf tote Mädchen und die
beiden Typen, die sie auf dem Gewissen haben, werden abgeschlachtet.“
„Eigentlich müssten wir Monsieur Hugo ja fast dankbar sein – er nimmt uns die
Arbeit ab“, meinte De Gruye launig. „Dem Russen weine ich ganz bestimmt keine
Träne nach – aber es kotzt mich an, wie Hugo uns verarscht. Ganz zu schweigen,
dass wir nicht wissen, wo Fontaine steckt.“ Van den Berg ordnete wieder mal
Straßensperren an, obwohl er wusste, dass die Chance gegen null ging, Hugo auf
diese Weise zu kriegen. Er würde die Kontrollen Kilometer gegen den Wind
riechen und sich aus dem Staub machen.
Als
van den Berg total übermüdet zu Hause eintraf, war Marie verschwunden. „Du hast
mich enttäuscht. Wieder einmal“, hatte sie auf ein Blatt Papier gekritzelt, das
auf dem Küchentisch unter einem Serviettenhalter klemmte. Maries Reaktion
versetzte seinem Herzen einen kurzen aber schmerzhaften Stich. Der Kommissar
dachte noch eine Weile nach, während er im Bett lag, aber in seinem Kopf war
nur noch Chaos.
Am nächsten Morgen lief van den Berg
mit schlechter Laune im Kommissariat ein. Er hatte sich nicht einmal Zeit,
genommen, seine Haare in Position zu bringen. Die Sonderkommission traf sich im
Sitzungszimmer. „Wir haben das Obduktionsergebnis von Dimitri Shevchenko. Keine
Überraschung – der Schuss in den Hinterkopf war die Todesursache“, erklärte De
Breuyn knapp. „Der Mörder hat einen Schalldämpfer benutzt.“ „Du kannst das
Arschloch ruhig beim Namen nennen“, raunte van den Berg. Seine Laune war nicht
die beste.
Nach
einer halben Stunde schlug Nicole im Kommissariat auf. Van den Berg wollte sie beim
Gespräch mit den Mädchen unbedingt dabei haben. Die Ärzte hatten für die Befragung
grünes Licht gegeben – es konnte losgehen. Dem Kommissar war es recht, dass
Nicole die Federführung bei den Interviews übernahm. Jetzt war Sensibilität
gefragt und kein Holzhammer. Van den Berg hatte verstörte Frauen erwartet, aber
die Gruppe kam ganz entspannt ins Besprechungszimmer. „Ein normales
Opferverhalten“, flüsterte Nicole ihrem Kollegen, der fragend dreinschaute, ins
Ohr. „Die Mädchen sind einfach nur glücklich, dass es vorbei ist. Was sie
durchgemacht haben, wird erst in Wochen und Monaten hochkommen. Sie müssen in
Therapie.“ Van den Berg und Nicole führten die Gespräche mit Dreiergruppen. Sie
brauchten einen Dolmetscher – keines der Mädchen konnte irgendwelche
Fremdsprachen, schon gar nicht Französisch oder Flämisch. „Wie geht es euch?“, fragte
der Kommissar, als ihm drei wasserstoffblonde Russinnen gegenübersaßen. Sie
lächelten so charmant, als befänden sie sich in einem Vorstellungsgespräch bei
einem Versicherungsunternehmen. „Wir werden euch jetzt Fragen stellen, die bei
euch Panik oder starke Gefühle auslösen könnten. Wenn ihr zu bestimmten Dingen
nichts sagen wollt, ist das kein Problem. Zuerst fragte van den Berg die
Mädchen nach ihren Lebensumständen aus. Es kam heraus, dass die meisten von
ihnen aus einfachen Verhältnissen stammten und ungelernten oder gar keinen
Arbeiten nachgingen. Drei der Mädchen entpuppten sich als Gelegenheitsnutten.
Was die Mädchen den Beamten erzählten, war beinahe austauschbar. Irina war
diejenige, die ihnen die genauesten Informationen lieferte. Sie stammte aus
Khimki, einer Kleinstadt in der Nähe von Moskau und war in einem der unzähligen
seelenlosen russischen Ghettos aufgewachsen. „Wo haben sie Hugo kennengelernt?“,
fragte van den Berg gespannt. „Irina blickte ihn fragend an.“ Sie legten das
Foto auf den Tisch, das den Killer auf der Bank am Café Belga zeigte. „Paul“,
sagte Irina. „Das ist Paul. Das Arschloch hat mich beim Basketball angequatscht.“
„Beim Basketball?“, fragte der Kommissar überrascht. „Wir haben ein echt geiles
Profiteam in Khimki, ich schaue mir die Jungs oft an. Dieser Schleimscheißer
hat mich an einer Imbissbude angelabert, als ich mir eine Cola geholt habe.“ „Und
weiter?“ „Der Typ hat mir ein Essen spendiert, in einem Top-Laden in Moskau.
Das war der Hammer.“ Irina strahlte über das ganze Gesicht. „Er meinte, ich
kann Kohle wie Scheiße machen, wenn ich mit nach Brüssel komme.“ „Hat er gesagt
womit?“ „Model, Bardame, was weiß ich.“ „Und das ist ihnen nicht komisch
vorgekommen?“ „Warum denn? Ich wollte raus aus diesem Nest.
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