Kater Brown und die Klostermorde - Kriminalroman
konnte sie nachher möglicherweise nicht mehr auf seine Kooperation hoffen.
»Ja, Sie müssen dazu wissen, dass Gilbert Chesterton, der Brown erfunden hatte, ein überzeugter Anhänger des katholischen Glaubens war, so sehr sogar, dass Papst Pius XI. ihn nach seinem Tod mit dem Titel ›Verteidiger des Glaubens‹ ehrte. Chesterton benutzte die Kriminalfälle als Aufhänger, um sich für seine religiösen Ansichten einzusetzen. Davon ist in den Rühmann-Filmen nicht viel übrig geblieben …«
»Ich bin mir auch nicht sicher, ob den Filmen mit einer allzu deutlichen religiösen Botschaft gedient gewesen wäre …«, warf Alexandra ein.
»Ganz richtig, Frau Berger«, pflichtete er ihr bei. »Ein unterhaltender Film sollte den Zuschauer nicht belehren, dafür gibt es andere filmische Genres. Obwohl es auch anders geht. Ich weiß nicht, ob Sie je die englische Pater-Brown -Verfilmung mit Sir Alec Guinness gesehen haben, obwohl … damals war er ja noch gar kein Sir. Es heißt, dass das Drehbuch und eine persönliche Begegnung mit Chesterton bei ihm einen so tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen haben, dass er daraufhin zum katholischen Glauben übergetreten ist.«
Alexandra sah zu Tobias. »Wusstest du das?«
»Ich dachte immer, er ist nach Star Wars dem Orden der Jedi-Ritter beigetreten«, kam dessen lapidare Antwort.
Bruder Johannes lachte erheitert auf. »Nein, ernsthaft, wenn Sie Chesterton im Original lesen, dann erwecken die Romane einen völlig anderen Eindruck, sowohl was die Charaktere angeht als auch die Botschaft, die er mit den Geschichten vermitteln wollte. In den ersten deutschen Ausgaben hat man vieles von dem einfach herausgestrichen, wohl weil man das für die deutschen Leser nicht für geeignet hielt. Deswegen hatten die deutschen Filme auch so wenig mit Chestertons Original zu tun.« Der Mönch zuckte mit den Schultern. »Zum Glück gibt es seit ein paar Jahren neue Übersetzungen, und die bleiben wenigstens dicht am Original.«
Ehe Alexandra auf den eigentlichen Grund ihres Kommens überleiten konnte, zog Bruder Johannes ein Taschenbuch aus dem Regal und hielt es ihnen kurz hin. Dann blätterte er darin und redete gleichzeitig weiter: »Was mich auch schon immer fasziniert hat, sind die Krimis von Harry Kemelman. Bestimmt haben Sie schon mal einen seiner Rabbi-Krimis in einer Buchhandlung gesehen.« Als er die fragenden Blicke seiner Gäste bemerkte, fügte er hinzu: »Die haben immer sehr eingängige Titel. Dieser hier zum Beispiel heißt Am Freitag schlief der Rabbi lang . Dadurch sind sie mir damals überhaupt erst aufgefallen, und ich muss sagen, sie sind sogar richtig lehrreich. Wissen Sie, ein Rabbi namens David Small ermittelt in den unterschiedlichsten Fällen, und ganz nebenbei erfährt man unglaublich viel über den jüdischen Glauben. Vor allem bekommt man diese Dinge in einem praktischen Zusammenhang erklärt, ohne dass man sich durch ein trockenes Sachbuch quälen muss.« Er stellte das Buch zurück ins Regal und zeigte auf verschiedene andere Romane. »Ich darf natürlich nicht Bruder Cadfael vergessen, geschaffen von der unvergleichlichen Ellis Peters, Gott sei ihrer Seele gnädig! Ich glaube, als sie diese Krimis schrieb, hatte sie schon Sir Derek Jacobi im Hinterkopf … Er hat später im Fernsehen diesen Benediktinermönch Cadfael gespielt. Er war die ideale Besetzung.« Bruder Johannes lächelte versonnen. »Und die drei Figuren sind nur die bekanntesten Geistlichen, die dem Verbrechen auf der Spur sind. In den beiden unteren Reihen hier stehen noch mal über hundert Krimis mit anderen ›Kollegen‹, die im Namen des Herrn für Recht und Ordnung sorgen. Sie spielen zum Teil an ganz exotischen Schauplätzen, zum Teil aber auch gleich hier um die Ecke. Ich habe einiges zusammengetragen, doch es gibt immer noch Romane, die ich nicht habe … Manchmal natürlich auch deshalb, weil sie nicht als deutsche Ausgabe erschienen sind und ich die jeweilige Originalsprache nicht beherrsche. Aber mein absoluter Favorit ist …« Er unterbrach sich und warf Alexandra und Tobias einen auffordernden Blick zu. »Na, kommen Sie von selbst drauf?«
»Der Name der Rose?« , fragte Alexandra auf gut Glück.
Bruder Johannes lachte. »Ganz richtig. Ich habe sogar ein Exemplar mit einer Widmung von Umberto Eco.« Er seufzte leise. »Ich weiß, ich sollte so etwas eigentlich nicht sagen, weil es ja voraussetzt, dass sich ein Verbrechen ereignet hat, bei dem jemand zu Schaden gekommen ist,
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