Kater mit Karma
die alten Flecken überstrichen und böse Mächte sie durch neue ersetzt haben könnten.
Die Flecken waren nämlich keine moderne Kunst, sondern etwas, von dem ich nie im Leben angenommen hätte, dass eine zivilisierte Katze dazu imstande wäre.
Die Vorhänge wanderten umgehend in die Reinigung und wurden wieder aufgehängt. Binnen kurzem tauchten neue Flecken auf. Die Vorhänge wanderten erneut in die Reinigung und Jonah bekam offiziell Zutrittsverbot zum Fitnessraum – eine harte Strafe, da er mit großer Begeisterung zweimal die Woche auf der Matratze herumrollte und sich von Peter den Bauch streicheln ließ oder Stretching-Übungen vor ihm machte.
Unser Haustier sann auf Rache. Er nahm sich alle Orte im Haus vor, wo er maximalen Schaden anrichten konnte – Lydias Bett, Katharines Regal mit ihren Lieblingsbüchern, ihre Geige und den Boden unter meinem Schreibtisch. Und dann – Schrecken über Schrecken – das Reisekinderbett!
Meine Töchter und ich verwandelten uns in Katzen, krochen durchs Haus und schnüffelten in den Ecken. Es zeigte sich, dass Katharine über eine besonders feine Nase verfügte. Wir kauften eine Lampe mit UV-Licht, extrastarkes Desinfektionsmittel und eine erstaunliche Menge an biologisch abbaubaren Reinigungsmitteln.
Beim Tierarzt besorgten wir uns einen Spezialreiniger. Sein süßlicher Geruch war fast so ekelerregend wie derjenige, den er neutralisieren sollte. Als ich entdeckte, dass man ihn kanisterweise kaufen konnte, verlor ich einen Moment lang den Mut. Ich fragte mich, wer solche Mengen von dem Zeug brauchte. Leute mit Tausenden von Katzen? Oder blieb das jetzt etwa für alle Zeiten so?
»Er markiert«, erklärte Vivienne, als ich sie wegen Jonahs neuem Problem anrief.
»Cleo hat das aber nie gemacht«, sagte ich. »Ach doch, ein Mal.«
»Sie war ja auch ein Weibchen. Es sind die Kater, die markieren. Deshalb wollen die meisten Leute ja auch lieber eine Katze. Vielleicht hat Jonah deshalb als Letzter aus dem Wurf ein Zuhause gefunden.«
»Der Verkäufer hat gesagt, dass er eine Bindehautentzündung hatte«, erinnerte ich sie.
»Wie schon gesagt, ich vermute eher, dass ihn jemand als ganz kleines Kätzchen gekauft hat, aber nicht mit ihm fertiggeworden ist und ihn deswegen in den Laden zurückgebracht hat«, erwiderte Vivienne. »Oder er stammt aus einer Inzucht. Sie haben doch bestimmt schon mal von Welpenfabriken gehört?«
»Sie meinen die Hundezüchter, die Hunde unter den schlimmsten Bedingungen halten und die Weibchen am laufenden Band und wahllos schwängern lassen?«, fragte ich.
»Ja, solche Fabriken gibt es auch für Katzen. Die Tiere werden zur Fortpflanzung zusammengesperrt, manchmal eben auch Geschwister, und die Jungen dann an Tierhandlungen verkauft. Das kann einer der Gründe sein, warum Ihre Tierhandlung Jonah ohne Papiere verkauft hat.«
Ein Ergebnis von Inzucht und ein Markierer? Viviennes Worte waren hart, aber ich vertraute ihr. Vivienne liebte Katzen und verstand sie in einem Maße, das für mich völlig unerreichbar war.
»Wird sich das wieder auswachsen?«, fragte ich.
»Nicht zwangsläufig«, erwiderte sie.
Mich verließ der Mut. Ich fragte sie, warum er gerade jetzt damit angefangen hatte.
»Vermutlich gibt es mehrere Auslöser«, erwiderte Vivienne. »Jonahs kleine Welt ist völlig durcheinandergeraten. Nach dem, was Sie erzählen, ist er eifersüchtig auf das neue Baby und er vermisst Philip. Es ist durchaus möglich, dass er sich überfordert fühlt, weil er nun die Rolle des Alphamännchens im Haus einnehmen muss.«
Alphamännchen? Welche Aufgaben hatte ein Alphamännchen heutzutage, außer faul herumzuliegen und darauf zu warten, gefüttert zu werden?
Vivienne mailte mir eine lange Liste mit Ratschlägen und Informationen über die drei Hauptursachen für unerwünschtes Markieren. Die Gründe waren 1. medizinischer Natur; 2. solche, die mit dem Katzenklo zu tun hatten, und 3. Angst/Stress. Vivienne war zwar ziemlich sicher, dass Jonahs Problem mit Letzterem zu tun hatte, aber sie meinte, wir sollten dennoch zum Tierarzt gehen, um körperliche Ursachen ausschließen zu lassen. Darüber hinaus musste das Katzenklo absolut sauber gehalten und in genügend großem Abstand zu seinen Fressnäpfen aufgestellt werden. Aber was der Grund auch sein mochte, sagte sie, es hätte keinen Sinn, mit ihm zu schimpfen und ihn zu irgendetwas zu zwingen.
Das Fenster der Tierarztpraxis war mit Fotos von vermissten Katzen zugepflastert. Die Frau am
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