Kater mit Karma
fiel das Dessert gleichermaßen üppig aus – getrocknete Nudeln mit Joghurt und Honig, darüber Palmzucker gestreut. Für den Fall, dass das nicht genug war, standen auch noch Papayas und Bananen auf dem Tisch. In der Küche des Klosters war ein Poet des Essens am Werk, ein kulinarischer Cezanne. Und ich hatte mir Sorgen gemacht, dass ich verhungern könnte!
Das sri-lankische Tuk-Tuk ist im Grunde ein Mordinstrument auf Rädern. Es besteht aus einem kleinen, an einem Motorrad befestigten Wagen und hält verschiedene Arten von Folter bereit. Wenn man nicht an den Auspuffgasen erstickt, wird man auf der Fahrt über als Straßen verkleidete Trampelpfade entsetzlich durchgeschüttelt. Es verfügt über das Potential, umzukippen und seine Passagiere in einen Fluss zu schleudern, oder ihnen den Kopf an einem Viehtransporter zu zerschmettern. Alternativ kann man versuchen, drei Personen darin unterzubringen, und dabei riskieren, dass eine davon zu Tode gequetscht wird.
»Passen wir wirklich alle drei in das Ding?«, fragte ich und beäugte den Sitz, der gerade mal breit genug für drei Wellensittiche war. Die ältere Nonne und Lydia versicherten mir, wir passten.
»Halt dich einfach gut fest«, sagte Lydia, als der Fahrer hügelabwärts in Richtung Dschungel raste. Wenn die Fahrt in dem Transporter abenteuerlich gewesen war, war die in dem Tuk-Tuk schlicht selbstmörderisch.
Wir holperten durch Schlaglöcher und riesige Pfützen, um gleich darauf am Rand eines Abgrunds entlang um Kurven zu sausen. Als wir schließlich aus dem Tuk-Tuk auf die Dorfstraße taumelten, kam es mir vor, als hätte mein Herz in meinem Unterleib und meine Eingeweide in der Brust Platz genommen.
Auf unserem Weg durch das Dorf starrten uns zwei Mädchen mit Kopftüchern an, als wären Außerirdische gelandet. Einige Frauen in Saris nickten und lächelten neugierig. Es war ein merkwürdiges Gefühl, als Hellhäutige durch ein sri-lankisches Dorf zu laufen. Fast alle Bewohner, denen ich begegnete, waren freundlich und höflich. Im Stillen hoffte ich, dass sich die Singhalesen gleichermaßen willkommen fühlten, wenn sie in unseren Teil der Welt kamen.
Die Nonne führte uns in einen Supermarkt, wo sie Gelee für ihre kranke Mutter kaufen wollte. Offenbar war der Dreiundachtzigjährigen vor einigen Wochen plötzlich schwindlig geworden. Sie hatte auf ihrem Bett gesessen, war zur Seite gekippt und lag seither so da. Gelee war das Einzige, was sie essen konnte.
Beim Betrachten der Regale stellte ich überrascht fest, dass eine ganze Reihe Cremes und Lotionen zum Bleichen der Haut angeboten wurden, sogar Tabletten gab es. Wieder einmal waren die Prioritäten hier anders verteilt als zu Hause, wo junge Frauen einen Großteil ihres Lebens damit zubrachten, ihre Haut dunkler zu färben, wenn nicht gleich orange.
Lydia suchte das Regal mit den Gelees und die Nonne bat sie, einen Blick auf das Haltbarkeitsdatum zu werfen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es noch nicht abgelaufen war, bezahlte sie und führte uns aus dem Supermarkt in einen T-Shirt-Laden.
Entgegen meinen Vorurteilen über Nonnen erwies sich diese als erfahrene Einkäuferin mit einem sicheren Blick. Sie war überzeugt, dass das violette Top mit dem glänzenden Paisleymuster das passende Mitbringsel für Katharine war – und lag damit richtig. Die Verkäuferinnen waren verblüfft, als Lydia in fließendem Singhalesisch mit ihnen plauderte. Ich trat einen Schritt zurück und tat so, als wüsste ich ganz genau, worüber sie sprachen.
Auf dem Rückweg hielt das Tuk-Tuk vor einem bescheidenen, halb zwischen Bäumen verborgenen Haus. Davor standen einige Leute, die uns zulächelten und winkten. Die Familie der Nonne, wie mir Lydia erklärte.
»Möchten Sie meine Mutter kennenlernen?«, fragte die Nonne. »Sie ist sehr schwach.«
Als wir durch die Tür traten, hatte ich das Gefühl, ein Trauerhaus zu betreten. Frauen saßen beisammen und redeten leise miteinander. Männer standen herum in der Hoffnung, einen nützlichen Eindruck zu machen. Im oberen Stock spielten Kinder. Ganz gleich, aus welchem Kulturkreis, in solchen Zeiten zeigen Menschen stets große Herzlichkeit und Sanftmut. Wenn man sich im Haus eines Sterbenden aufhält, lernt man das menschliche Herz von seiner ernstesten und liebevollsten Seite kennen.
Die Familie hieß uns freundlich willkommen und die Nonne führte uns in einen kleinen dunklen Raum auf der Rückseite des Hauses. Obwohl das Fenster offen stand, bekam
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