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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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sonst noch in den Dschungel pinkeln. Für die nächsten Tage war das mein Loch im Boden – und das von Lydia und allen anderen, die Anspruch darauf erhoben. Ich musste einfach nur lernen, den Eimer und die Bürste zu benutzen.
    Eine Treppe tiefer duschte ich unter einem Rinnsal lauwarmen Wassers in der Gesellschaft einer großen Kakerlake. Während ich den Schmutz der Reise abspülte, kam ich zu dem Schluss, dass das eine der besten Duschen meines Lebens war.
    Es faszinierte mich zu sehen, wie einfach Lydia wochen-, manchmal sogar monatelang gelebt hatte. Mein Zimmer war identisch mit ihrem, das Bett bestand aus einer Matratze auf einer Sperrholzplatte, die gerade lang genug für eine Zehnjährige war. Nachdem ich es mit meinem Reisekissen und der mitgebrachten Bettwäsche hergerichtet hatte, sah es äußerst einladend aus. Nach einem Tag Durchgerütteltwerden in dem Transporter war ich dankbar dafür, dass es sich nicht bewegte.
    Lydia kam mit zwei Bechern Tee, so heiß und stark, dass er auch als Suppe durchgegangen wäre. Zögernd holte ich aus meinem Koffer ein kleines Päckchen und überreichte es ihr.
    »Wow!«, sagte sie und hielt das Trägertop in die Höhe, so dass die Glitzersteine in der Dunkelheit funkelten. »Calvin Klein! super!«
    Ihre Freude über das glitzernde Kleidungsstück war ein gutes Zeichen.
    Nach einer Weile gab Lydia mir einen Gutenachtkuss und sagte, ich solle an ihre Tür klopfen, wenn ich etwas brauche. Ich blieb mit meiner Stirnlampe allein in meinem Zimmer zurück und musste lächeln, als von nebenan elektronische Pieptöne zu vernehmen waren. In dieser fremden Umgebung fand ich es beruhigend, dass sie einige ihrer Eigenheiten beibehalten hatte – wie vergessen den Wecker auszuschalten und über Dinge zu stolpern.
    Draußen war es inzwischen pechschwarze Nacht. Naiverweise hatte ich angenommen, im Dschungel wäre Dunkelheit gleichbedeutend mit Stille, stattdessen schwebten die hypnotischen Klänge eines Chors von Männerstimmen durch das Tal. Sie versetzten meines Inneres in Schwingung, trugen mich durch die Generationen zurück zu unbekannten Vorfahren, die vor der industriellen Revolution, der Aufklärung und der Renaissance gelebt hatten.
    Nachdem der Gesang geendet hatte, ertönten andere, durchdringendere Geräusche. Ich lag auf dem Bett und hörte Grillen (mehrere Arten), Vögel, Frösche, Hunde und eine undefinierbare Ansammlung von Kreaturen, die trillerten, krächzten, quäkten, klapperten, pfiffen, schnatterten und zwitscherten. Sich gegenseitig übertönend, trugen sie mich noch weiter zurück in eine Zeit, in der die Existenz böser Geister plausibel schien.
    Nach einer Weile sprang ich genervt von der gruseligen Symphonie aus dem Bett und griff nach meinem iPhone. Auf einen Tastendruck erschien ein verpixeltes Bild von Jonah, der wie eine Baskenmütze auf Philips Kopf thronte. Ich war erleichtert, dass es funktionierte. Einen Augenblick lang hatte ich die Befürchtung gehabt, in ein anderes Jahrhundert gerutscht zu sein.
    Im Licht der Stirnlampe holte ich das Ohropax aus meinem Kulturbeutel und dankte allen Göttern des Himmels dafür, dass ich daran gedacht hatte, die rosafarbenen Stöpsel einzupacken. Als Nächstes zählte ich meine Nussriegel. Zwei für jeden Abend. Ich hoffte, dass sie reichen würden. Wenn nicht, müsste ich das Kloster eben als Fastenklinik betrachten.
    Beim Durchgehen meines sorgfältig ausgewählten Reisegepäcks kam ich mir albern vor. Beinahe alles, was ich zum »Schutz« mitgebracht hatte, erwies sich als nutzlos. Ich hängte das mit Insektizid getränkte Netz vor das Fenster für den Fall, dass Lydia hinsichtlich der Moskitos zu optimistisch gewesen war. Was Seidenschlafsack, Moskitobänder, Marcel-Marceau-Handschuhe, weiße Kniestrümpfe und Hutnetz anging – das hätte ich mir alles sparen können. Die Durchfall- und Abführtabletten lagen nutzlos in ihren Packungen. Ich hoffte beinahe, dass mir eine Zecke über den Weg laufen würde, damit wenigstens die Zeckenzange nicht unnötig Stauraum in Anspruch genommen hatte.
    Die Reise war jedoch noch nicht vorüber, dachte ich, als ich mich wieder ins Bett legte, vorsichtig, falls es doch zerbrechlicher war, als es aussah. Es konnte noch jede Menge schiefgehen. Selbst mit den Stöpseln im Ohr hörte ich die Laute des Dschungels – aber es war mir egal; ich war zu müde.
    Kaum war ich eingeschlafen, wurde ich vom Klopfen eines Spechts wieder geweckt. Nach einer Weile begriff ich, dass es kein

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