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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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hasste. Ich liebte ihn dafür.
    Fröhlich rief eine Frau meinen Namen auf und Philip folgte mir in das Sprechzimmer der Chirurgin. Ein angenehmer hell getäfelter Raum, in dem Broschüren auslagen, wie man am besten mit seinen Emotionen und anderen Unannehmlichkeiten fertig wurde. Auf dem Schreibtisch lag eine Notration Taschentücher. In der Ecke tippte eine Krankenschwester etwas in einen Computer. Ich fragte mich, ob sie hier war, um den Patientinnen beizustehen – oder um im Falle einer Klage als Zeugin fungieren zu können.
    »Was ist denn da passiert?«, sagte die Chirurgin in alarmierend sanftem Tonfall, als wir uns die Aufnahmen des Planetenwirbels in meiner rechten Brust ansahen. Die Frage war irritierend. Sie klang wie eine Mutter, die ihr vom Dreirad gefallenes Kind trösten wollte. Ich hatte schon genügend Ärzten zugehört, um zu wissen, dass sie eine ziemlich konkrete Vorstellung davon haben, was los ist, bevor sie es einem sagen.
    »Was meinen Sie?«, fragte ich als geschulte Journalistin (stelle Fragen, auf die keine Ja/Nein-Antwort möglich ist).
    »Wollen Sie es wirklich wissen?«, fragte sie – womit sie meinte: wollen Sie wirklich in Bagdad Bibeln verkaufen/Ihren Kopf in einen Topf mit kochendem Haferschleim stecken?
    Nein! Schnitt, danke, das reicht. Ich werde jetzt einfach gehen und so tun, als sei es gestern, vor meinem Termin zu einer Routineuntersuchung. Zu spät.
    »Ich denke, dass es bösartig ist.« Der Satz klirrte in meinen Ohren wie ein zu Boden gefallenes Gläsertablett. In dem darauffolgenden Schweigen besah ich mir die Scherben.
    »Aber ich habe jetzt überhaupt keine Zeit, um krank zu sein«, erklärte ich ihr. »Ich schreibe ein Buch.«
    Da ich von dem Buch so in Anspruch genommen war, würde sie den bösartigen Zellen bestimmt sagen, dass sie sich gefälligst zusammenreißen sollten.
    »Worum geht es denn in dem Buch?«, fragte sie höflich.
    »Um einen Heilungsprozess«, gab ich zurück. Ich hatte nicht die Kraft, ins Detail zu gehen. Sie lächelte schief. Ihr Blick kam mir allzu wissend vor.
    Ich sah auf ihre Hände. Sie wirkten klein, beinahe zierlich. Mit Fingern, die zupacken konnten.
    Von Menschen in dieser Situation sagt man gerne, sie seien »tapfer« und dächten »positiv«. Ich war zu keinem von beiden imstande. Krebspatienten, besonders wenn es sich um Filmstars oder Rocksänger handelt, werden gerne so beschrieben, dass sie »den Kampf mit diesem Ding« aufnehmen wollen. In mir war keine Spur Kampfeswille. Ich fühlte mich wie ein Tier in einem Tierfilm, das in die Fänge eines übermächtigen Raubtiers geraten war. Ich wollte nichts weiter, als in einer Ecke leise in mich zusammensinken.
    »Die Geschwulst ist groß«, fuhr sie sanft fort. »Sie hat sich in der Brust ausgebreitet.«
    »Mastektomie?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete sie.
    Halt, halt, halt. Könnten wir nicht zu einer Einigung kommen? Könnte sie sich nicht mit einer Lumpektomie zufriedengeben, über die ich schon verschiedene Artikel gelesen hatte?
    Sie sagte, eine Lumpektomie wäre bei dieser Geschwulstgröße nicht möglich. Eine Lumpektomie würde in einem solchen Fall letztlich auf eine Amputation der Brust hinauslaufen. Ich warf dem Mann, den ich vor zwanzig Jahren kennengelernt hatte, einen Blick zu; dem Mann, der verrückt genug gewesen war, mich zu heiraten. Er musterte schweigend seine Fingernägel. Ich musste den ganzen Umfang der Katastrophe kennen.
    »Und die andere Brust?«
    »Die werden wir vielleicht auch entfernen müssen. Das wissen wir allerdings erst, wenn die Ergebnisse der Biopsie und der MRT da sind.«
    »Glauben Sie, ich werde …?«
    »Ich glaube, für heute haben Sie erst mal genug zu verdauen«, erwiderte sie mit munterer Stimme. »Hoffen wir, dass ich falsch liege und die Geschwulst harmlos ist.«
    Dann gab sie nur noch irgendwelches Blabla von sich. Sie schrieb mir ein Rezept für ein Schlafmittel. Ich würde die nächsten Tage besser durchstehen, wenn ich nachts gut schliefe.
    Die Krankenschwester reichte mir die Visitenkarte einer Psychologin. Eine Seelenklempnerin? Ich doch nicht, dachte ich, steckte die Karte aber trotzdem ein. Ich würde jede Hilfe brauchen können.
    Im Biopsie-Raum attackierte ein Mann, der wie ein Modelleisenbahnliebhaber aussah, meine Brust mit einem Miniaturbagger mit integriertem Klammergerät. Von der örtlichen Betäubung merkte ich fast nichts. Er musste die Prozedur vier Mal wiederholen, bis er eine zufriedenstellende Probe des auffälligen

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