Kater mit Karma
Osteuropäerin mit ihren Cornflakes, Tabletten, Arztvisiten, Temperatur- und Blutdruckmessungen. Es ist erstaunlich, wie rasch man sich daran gewöhnt. In Gefängnissen tritt wahrscheinlich dasselbe Phänomen auf. Ich freute mich über die kleinsten Dinge – ein Teebeutel in blauer Verpackung, in Stückchen geschnittenes Dosenobst, das ich zu Hause niemals gegessen hätte.
Mit den zischenden Schläuchen, die meine Beine massierten, war an Schlaf kaum zu denken. Es hatte keinen Sinn, die Stunden unruhigen Wachliegens zu zählen. Vier Uhr früh war praktisch dasselbe wie vier Uhr nachmittags, nur dass keine Besucher kamen.
Von all den Geräuschen, die mich nachts wach hielten, ärgerte mich das Schnarchen auf der anderen Seite des Korridors am meisten. Wie konnte es jemand wagen, sich den Luxus ungestörten Schlafes zu gönnen?
Am dritten Abend verfolgte ich auf dem winzigen Fernseher, der hoch oben in der rechten Ecke meines Zimmers befestigt war, eine Sendung über englische Architektur. Während ich den Royal Crescent in Bath bewunderte, spürte ich plötzlich etwas, das ein Meilenstein nach jeder Operation ist. Die erste Darmtätigkeit.
Ich klingelte nach Schwester May, die mir half, an ihren Arm geklammert zum Klo zu humpeln. Mit all den Drainagen und einem Infusionsgestell im Schlepptau bewegte ich mich mit der Geschwindigkeit einer Hundertzehnjährigen. Ich hielt mich an dem Griff an der Wand fest und ließ mich auf den Sitz sinken. May schloss diskret die Tür und sagte, falls es ein Problem gäbe, solle ich klingeln. Nervös saß ich auf meinem Thron, während der Fernsehsprecher seinen gelehrten Vortrag damit fortsetzte, dass sich Bath im 18. Jahrhundert ungeheurer Beliebtheit erfreut hatte und aus dem in den nahegelegenen Hügeln geschlagenen Stein architektonische Meisterwerke geschaffen worden waren.
Leider wurde der Vortrag nicht von irgendwelchen architektonischen Meisterwerken intimer Natur meinerseits begleitet. Wo war eigentlich May? Auf der anderen Seite der Tür war weder Geraschel noch Räuspern zu hören. Sie musste davongeeilt sein, um irgendwelchen anderen Krankenschwesterpflichten nachzukommen. Ich war allein und plötzlich überfiel mich Angst.
Ein Schwindelanfall. Das grell beleuchtete Bad verschwand mitsamt des Fernsehsprechers sorgfältig artikuliertem Lob der Architektur von Bath in einem wirbelnden Nebel. Mit Beuteln und Schläuchen rutschte ich dem Boden entgegen und schaffte es gerade noch, auf dem Weg nach unten die Klingel zu drücken.
Die Tür flog auf. Eine Schar von Schwestern, einschließlich May, beugte sich über mich.
»Bring den Toilettenstuhl her!«, blaffte eine autoritäre Stimme.
»Sie ist anämisch«, sagte eine andere. »Seit sie aus dem OP kam, ist sie so blass.«
»Außerdem hat sie zu wenig geschlafen«, sagte eine dritte.
Wieder das vertraute »sie«. Danke für die Informationen, Mädels.
»Aber ihre Sauerstoffwerte sind in Ordnung«, sagte May.
Ich wurde zurück ins Zimmer gerollt und unter Schmerzen wieder ins Bett verfrachtet. Ich war niedergeschlagen. Das Telefon neben dem Bett klingelte. Nicht in der Stimmung für die Herkulesaufgabe eines Telefongespräch, schob ich den Hörer von der Gabel in die Nähe meines Ohrs.
Die Stimme der Brustkrebschirurgin, laut und ein wenig außer Atem. Gerade seien die Ergebnisse aus dem Labor gekommen. Sie sei zuversichtlich, dass sie den Krebs vollständig entfernt hätten. Die Geschwulst sei sogar noch größer gewesen, als sie gedacht hätten. Noch sechs Monate, und der Krebs wäre überall gewesen, sagte sie.
Überall. Gott sei Dank hatte ich nicht auf die praktische Ärztin gehört, die gemeint hatte, ich könne mir mit der Vorsorgeuntersuchung Zeit lassen.
Das waren wunderbare Neuigkeiten. So wunderbar, dass ich sie sie dreimal wiederholen ließ. Um sie gebührend zu feiern, wurde mir für den Rest der Nacht eine Bettpfanne zugestanden. Der reine Luxus.
Als ich am nächsten Morgen ins Bad geführt wurde, produzierte ich ein Meisterwerk, das dem Royal Crescent in Bath in nichts nachstand. Hellgrün wie Knetmasse, was vermutlich auf den Scan vor der Operation zurückzuführen war, für den man mich mit einem radioaktiven Kontrastmittel vollgepumpt hatte. Während ich mich unbeholfen vorbeugte, um es wegzuspülen, entschuldigte ich mich im Stillen bei den Umweltingenieuren, die in der örtlichen Kläranlage arbeiteten. Das Letzte, was sie brauchen konnten, war radioaktive Kacke.
Nach dem Frühstück hievte
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