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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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Colditz Shirley über uns auf. Errichtet Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, erzählte Shirley mit ihren roten Backsteinen und dem Ziegeldach von einer Zeit, als Mütter ihre Söhne in den Krieg schickten und Sex vor der Ehe etwas Undenkbares war. Was immer Shirley einst an Glanz besessen haben mochte, hatte sich längst zwischen rissigem Mauerwerk und schmucklosen Fenstern verflüchtigt.
    Die Backsteine saßen krumm und schief aufeinander und das graue Zeug, das sie zusammenhalten sollte, sah nicht so aus, als würde es diese Aufgabe ernsthaft bewältigen. Die orangefarbenen Dachziegel erinnerten an Reihen zerbrochener Kekse, von denen einige eindeutig einem Abwärtstrend folgten. Es machte keinen Sinn, irgendetwas davon Philip gegenüber zu erwähnen. Wenn wir nicht schnell ein Haus fanden, das wir kaufen wollten, würden wir etwas mieten müssen, was noch mehr Unsicherheit und Unbequemlichkeiten mit sich bringen würde.
    Ich hatte es mir recht einfach vorgestellt, ein neues Zuhause zu finden, doch nun sahen wir uns schon seit Wochen Stadthäuser und zentral gelegene Wohnungen an, Bruchbuden und Baustellen. Entweder waren sie zu klein oder absurd teuer oder die Zimmer verteilten sich über so viele Stockwerke, dass im Preis eine Bergsteigerausrüstung hätte inbegriffen sein müssen. Wir wollten uns nicht verkleinern, aber ein Haus für eine Großfamilie in irgendeinem Vorort war auch nicht das, was uns vorschwebte.
    Prahran, ein lebendiges Viertel in der Innenstadt, hatte mir schon immer gefallen (der Name stammt von den Aborigines und wird von den Einheimischen »Pran« ausgesprochen), deshalb war ich begeistert, als ich in einer unscheinbaren Sackgasse in der Nähe der High Street Shirley entdeckte. Die Häuser in dieser Straße, überwiegend einstöckige Doppelhäuser, waren alle in der Zwischenkriegszeit errichtet worden, was dem Straßenbild eine in Melbourne sonst eher selten anzutreffende Geschlossenheit verlieh. Mir gefielen die weißen Lattenzäune und verwunschenen Gärten. Sie hatten etwas von Alice im Wunderland . Dank einer Denkmalschutzbestimmung war der Bau von Wohnblocks und modernen Gebäuden untersagt.
    Anders als in unserer alten Straße gab es hier offenbar keine Rasenmäher-Fetischisten. Es schien hier vielmehr ein Dauerwettbewerb stattzufinden, wer es schaffte, das Gras vor seinem Haus am höchsten wachsen zu lassen.
    Shirleys Vorgarten, ein sandiges Rechteck neben einer Doppelgarage, war praktisch Wüstengebiet. Betonplatten gaben sich als Weg zur Haustür aus. Der einzige Hinweis darauf, dass Shirley einst der Schauplatz für Familienleben gewesen sein mochte, war ein uralter verwachsener Apfelbaum, der sich an die Veranda lehnte.
    »Na komm schon«, sagte ich zu Philip, »lass uns mal reingehen.«
    Philip blieb jedoch störrisch. Noch immer starrte er auf das Namensschild aus Messing, das für die Besichtigung auf Hochglanz poliert worden war.
    »Das können wir wegmachen«, sagte ich und packte seinen Arm.
    »Ich wüsste nicht, wie. Es ist einbetoniert.«
    Ich zerrte ihn über eine im Laufe vieler Jahrzehnte schiefgetretene hölzerne Schwelle in die Diele. Hohe Decken. Zugig. Ein Sonnenstrahl tauchte eine Pyramide aus Kartons in staubiges Licht. Aber irgendwie machte es einen heimeligen Eindruck.
    »Nicht gerade eine ansprechende Präsentation«, bemerkte Philip.
    »Das kannst du den Mietern kaum zum Vorwurf machen«, sagte ich. »Immerhin werden sie rausgeworfen.«
    »Wer schläft denn hier drin?«, fragte er und inspizierte ein düsteres, mit Sportgeräten und Koffern vollgestelltes Zimmer. »Marquis de Sade?«
    Gespenstergleich erschien ein Immobilienmakler in der Eingangstür.
    »Das ist das Elternschlafzimmer, Sir«, erklärte er mit strengem Blick, überreichte Philip einen Prospekt und machte auf dem Absatz wieder kehrt.
    »Mit Folterbank und einem hervorragenden Blick auf die Hauswand des Nachbarn, na prima«, murmelte Philip.
    Über einen knarrenden Holzfußboden folgten wir dem Geruch von Mottenkugeln in ein kleineres Zimmer mit einem zugenagelten Kamin. Runde Flecken an der Decke deuteten auf ein undichtes Dach hin.
    »Sieht nach Kinderzimmer aus«, sagte Philip und beäugte die sich ablösende Tapete mit Teddybärmuster.
    »Oder Arbeitzimmer«, fügte ich hinzu und blickte durch ein angeknackstes rosa-grünes Bleiglasfenster zu dem Apfelbaum hinaus.
    Wir knarzten weiter in das leere Ess-/Wohnzimmer, wo unsere Stimmen von den Wänden widerhallten. Philip deutete auf die

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