Kater mit Karma
Zuschauer verfolgten das Spektakel gebannt.
Zu guter Letzt schnitt einer der Männer eine Grimasse, verscheuchte eine imaginäre Fliege und marschierte davon. Ein Raunen ging durch die Menge. Sein Gegner straffte mit gerötetem Gesicht die Schultern, bereit, sich zum Sieger erklären zu lassen. Ich verabschiedete mich im Stillen von Shirley und wappnete mich im Geist für einen Winter in einer Mietwohnung.
Neben mir verlagerte Philip sein Gewicht, zunächst fast unmerklich, dann sah ich ihm mit offenem Mund dabei zu, wie er die rechte Hand unter dem Oberschenkel hervorzog und sie langsam hob. Er stand auf und gab ein Gebot ab, das gleichermaßen erschreckend und erregend war.
Eine unfassbare Summe. Wo in aller Welt sollten wir so viel Geld hernehmen?
Wir wussten beide, dass es unser letztes Gebot sein würde und dass es viel zu hoch für uns war. Der blanke Irrsinn. Und genau das war einer der Gründe, warum ich mich vor Gott weiß wie vielen Jahren in diesen Mann verliebt hatte. Schon mehrmals im Lauf unserer Ehe hatte er, wenn ich einen Traum zerplatzen sah und zutiefst verzweifelt war, irgendetwas Unglaubliches getan, das unser Leben veränderte. Aber noch niemals etwas so Wunderbares und möglicherweise Ruinöses wie derart viel Geld für ein Haus zu bezahlen, das ihm eigentlich gar nicht gefiel, und das nur, weil er wusste, wie sehr ich es mir wünschte.
Es war totenstill, als die Zuschauermenge sich wie ein vielköpfiges Ungeheuer umdrehte und die Augen auf Philip richtete. Auf jemanden, der ihn nicht kannte, musste er völlig gelassen wirken. Seine Gesichtsfarbe hatte sich kein bisschen verändert. Sein Atem ging ruhig. Er zitterte und zuckte nicht.
Ich war die Einzige, die die Zeichen kannte. Da waren sie – züngelnde blaue Flammen in seinen Augen. Der Versteigerer versuchte den rotgesichtigen Mann dazu zu bringen, sein Gebot um fünfhundert Dollar zu erhöhen. Fünfzig Cent mehr und wir wären aus dem Rennen.
»Zum ersten …«, bellte der Versteigerer und wir warteten darauf, dass unser Gegner zuschnappte. »Zum zweiten …« Die Sekunden dehnten sich wie Kaugummi, während wir zusahen, wie sich der Hammer in Zeitlupe senkte und …
Das Haus war verkauft.
Und, unglaublich, aber wahr: an uns.
4.
Geheimnis
Eine Katze verlässt dich niemals ganz.
Während sich die Zuschauermenge zerstreute, führte uns der Makler in Shirleys Wohnküche, wo das Telefon vor sich hin blökte wie ein verirrtes Lämmchen.
Der Makler, der nur aus Zähnen und Aftershave zu bestehen schien, packte meine Hand und gratulierte uns. Die Vorbesitzer wären sicher überglücklich, das alte Mädchen zu diesem Preis doch noch an den Mann gebracht zu haben, erklärte er.
Altes Mädchen? Der Makler gestand uns, dass Shirley bei der Versteigerung einige Monate zuvor nicht weggegangen war und seither eines Käufers geharrt hatte. Ich wartete auf einen vernichtenden Blick von Philip, aber er tat so, als wäre er in die Vertragsunterlagen vertieft.
»Du bist einfach wunderbar«, sagte ich mit einem Seufzer, als wir wegfuhren. Meine Hände zitterten noch immer von der Unterschrift unter Dokumente mit so vielen Nullen darauf. »Bist du sicher, dass wir es uns leisten können?«
»Irgendwas wird uns schon einfallen«, erwiderte er in dem beruhigenden Tonfall, den er früher für seine Kunden bei der Bank verwendet hatte. »Wir haben ein paar Ersparnisse und mit ein bisschen Glück werde ich Ende des Jahres eine Gehaltserhöhung bekommen. Und wer weiß. Vielleicht schreibst du ja einen Bestseller.«
Ich krümmte mich innerlich auf meinem Sitz. Sein Zutrauen in meine Schreibkünste war geradezu pathologisch. Eher würden Supermodels Größe 44 tragen, bevor ich einen Bestseller landete.
Nach wochenlangem Packen und Planen war der Umzugstag endlich da. Ich ging durch die Tür des glücklicherweise namenlosen Hauses, in dem wir die letzten sechs Jahre verbracht hatten, und verabschiedete mich von Cleo und dem Seidelbast mit dem Versprechen, hin und wieder vorbeizuschauen und Hallo zu sagen. Die Umzugsmänner wuchteten die halbrunde Bank in ihren Lastwagen und entschwanden die Straße hinunter. Die Bäume von Melbourne hatten sich in herbstliche Rot- und Goldtöne gehüllt, als wir zu unserem neuen Haus fuhren, wo uns der Apfelbaum mit ausgestreckten Ästen willkommen hieß.
In Shirleys Innerem empfing uns Kälte und hallende Leere. Der Eichentisch wirkte verloren an seinem Platz in unserem neuen Esszimmer, wo das Telefon trotz
Weitere Kostenlose Bücher