Kater mit Karma
Es gab keinen Teppich und kein Kissen, die er mit seinen Farben nicht zum Leuchten brachte. Er war zu einer großartigen Katze herangewachsen; fast zu glamourös, um zu uns zu gehören. Sein Fell war den Winter über dunkler geworden und jetzt nicht mehr milchkaffee-, sondern cappuccinofarben. Die Schnurrhaare standen von seinem espressofarbenen Gesicht ab wie helle Nylonfäden. Seine saphirblauen Augen sahen hinter einer dunklen Maske hervor. Unglaublich lange Ohren schwebten wie Fledermausschwingen über seinem schmalen Gesicht. Seine lange Nase verlieh ihm das Profil eines ägyptischen Pharaos.
Er hatte nur einen Makel – zwei seiner oberen Zähne schoben sich wie Fänge über seine Unterlippe.
Jonah war so gertenschlank, als ob seine Vorfahren aus einer Tube gequetscht worden wären. Wenn er auf seinen langen Beinen angestakst kam, schien er um einige Zentimeter größer, als es bei Katzen üblich war.
Er verbrachte Stunden damit, seinen Schwanz zu putzen, eine zuckende Schlange mit eigenem Willen. Er trug ihn meist wie eine Antenne in die Höhe gereckt, so dass er leicht zu orten war. Wir folgten einfach der Schwanzspitze, wenn er hinter einem Stuhl verschwand. Kauerte er sich dagegen hin, um in der Sonne zu dösen, dann schlang er ihn um seine Vorderbeine und schob ihn zwischen die Pfoten.
Wenn er auch ein treuer Begleiter war, so war er doch ständig auf der Suche nach einem Fluchtweg – ein offen stehendes Fenster, ein Spalt in der Tür. Jeden Nachmittag legten wir ihm sein Geschirr um, damit er im Garten auf Käferjagd gehen konnte, und immer zerrte er an der Leine und wollte weiter, als sie ihm erlaubte.
Philip meinte, dass Jonah sich bestimmt an sein Dasein als Hauskatze gewöhnen würde. Von den weltweit zweihundert Millionen Katzen war ein großer Teil glücklich und zufrieden mit einem häuslichen Dasein, erklärte er.
Jonahs Quieken verwandelte sich in ein tiefes, kehliges Jaulen, das sagte: Ich will mehr! Tut endlich, was ich will! Jetzt gleich! Jetzt gleiiiiiich!
Unser junger Kater schien alles hundertmal besser zu spüren, zu sehen und zu hören als wir. Selbst wenn er zusammengerollt und mit geschlossenen Augen auf meinem Schoß lag, schlief nur ein kleiner Teil von ihm. Die Muskeln zuckten unter seinem seidigen Fell. Ein Knacken im Dachstuhl oder das ferne Rattern der Straßenbahn, die die High Street hinunterfuhr, genügten, damit er sofort hellwach war.
Seit Lydia nicht mehr da war, war es tagsüber sehr still im Haus. Eines Morgens kratzte Jonah an der Tür meines Arbeitszimmers und ich legte ihn mir über die Schulter und trug ihn hinein. Begleitet von seinem sanften Schnurren setzte ich mich hinter den Schreibtisch und fuhr den Computer hoch.
Das ist genau der richtige Platz für uns zwei , schien er zu sagen. Und jetzt lass uns einen Blick auf das alte Cleo -Manuskript werfen.
Mutlosigkeit überkam mich, als ich las, was ich vor meiner Krebsoperation geschrieben hatte. Meine Prognose war zwar gut, aber es konnte dennoch sein, dass dies das letzte Buch war, das mir zu schreiben blieb. Das Manuskript kam mir zu selbstmitleidig und deprimierend vor. Mehr denn je wollte ich das Wunder des Lebens feiern. Mit Jonah auf den Knien holte ich tief Luft und drückte auf Löschen. Tausende von Wörtern, ein halbes Buch, verschwanden im Cyberspace.
Danach starrte ich in die dunkle Höhle meines Bildschirms. Und fing noch einmal von vorne an.
Langsam gewann ich den Eindruck, dass Jonah die geborene Schriftstellerkatze war. Jeden Morgen tappte er an die Tür meines Arbeitszimmers, bis ich kam und sie öffnete und mich an den Schreibtisch setzte. Auf meinem Schoß schnurrte er sich in den Schlaf und lag stundenlang so da, ohne sich zu rühren. Immer wenn ich mich erhob, um meine Beine zu strecken, schüttelte er sich, bis er wach war, und dehnte sich dann genüsslich.
Am Nachmittag war mein Kopf so leer, dass ich zu nichts anderem mehr imstande war, als in die Glotze zu starren, aber auch das war Jonah recht. Am liebsten guckte er Tiersendungen und rätselhafterweise Modern Dance. Sein Favorit war allerdings Kommissar Rex . Kaum erschien der Schäferhund auf dem Bildschirm, sprang Jonah auf den Fernsehtisch und folgte aufgeregt jeder Bewegung des Hundedetektivs. Wenn ich mir Quizshows wie die Antiques Road Show ansah, dann gähnte er, als wolle er sagen: Miauuu! Schalt um!
Als würdiger Vertreter des männlichen Geschlechts liebte Jonah alles Mechanische. Das Einzige, was ihn noch mehr
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