Kater mit Karma
Fliege einen Meter über dem Boden. Der Angriff war höchst elegant ausgeführt. Wer wollte nicht sein Zuhause mit einem so wunderbaren Wesen teilen? Geoffrey war nur neidisch, dachte ich.
»Ich sage nur, wie es ist«, fügte er hinzu und leerte seine zweite Tasse Kaffee.
»Du lebst auf dem Land und hast eine uralte Katze, oder?«, fragte ich.
»Ja, aber sie ist ein Weibchen und geht nicht gerne raus. Eine offen stehende Tür interessiert sie überhaupt nicht. Und außerdem ist sie so groß wie ein Tiger.«
Jonahs Fell glänzte in der Sonne, während er versuchte, die Fliege durch aufmunternde Stupser ins Leben zurückzuholen. Sie lag auf dem Rücken und strampelte halbherzig mit den Beinchen in der Luft, was mich an eine Yogastellung erinnerte, die ich nicht besonders mochte.
»Wir sollen Jonah also die ganze Zeit im Haus halten, damit er eine Chance hat, zwei Jahre alt zu werden?«, fragte ich.
»Nachts darf man ihn sowieso nicht rauslassen«, erwiderte Geoffrey und warf einen Blick auf sein Handy. »Katzen jagen Vögel. Sie bringen Possums um.«
Ach nein, nicht wieder die Leier, dachte ich. Wenn es jemals zwischen Australien und Neuseeland zum Krieg kommen sollte, dann wegen der Possums. Possums stammen ursprünglich aus Australien und wurden in den 1830er Jahren in Neuseeland angesiedelt, weil man auf das Pelzgeschäft hoffte. Da die Tiere in Neuseeland allerdings keine natürlichen Feinde hatten und es so gut wie keine feinen Leute gab, die sich in Possumpelz hüllen wollten, vermehrten sie sich ungehindert. Sie richten nach wie vor furchtbare Verheerungen in Neuseelands Wäldern an.
Während die Australier also jedem Possum auf der Straße ausweichen, treten die Neuseeländer aufs Gas und halten direkt darauf zu. In Australien ist es verboten, ein Possum zu töten. In Neuseeland ist dieselbe Tat ein Grund, eine Dose Bier zu öffnen – nicht, dass Philip oder ich jemals etwas mit dem Ableben eines dieser Beuteltiere zu tun gehabt hätten. Sich mit Geoffrey über Possums zu streiten, hatte keinen Sinn.
Jonah zeigte sowieso kein Interesse daran, etwas anderes als seinen Hausdrachen zu vernichten. Mit weit zurückgezogenen Lippen, falls die Fliege beißen oder stechen sollte, verspeiste er sie laut schmatzend – nachdem er sich versichert hatte, dass alle ihm bewundernd zusahen.
»Es ist grausam, eine Katze im Haus einzusperren«, sagte Lydia und erhob sich, um den Tisch abzuräumen. Ich war noch immer nicht wieder ganz sicher auf den Beinen, obwohl der letzte Drainageschlauch und die hässliche Flasche entfernt worden waren. Lydia sagte, ich solle sitzen bleiben, während sie abräumte. Es war mir unbegreiflich, wie ich zu einer Tochter mit solchen hausfraulichen Qualitäten kam.
»Grausamer, als sie vom Auto überfahren zu lassen?«, fragte Geoffrey.
Ich war fast erleichtert, als Geoffrey in seinen Parka schlüpfte und zum Gartentor ging.
Lydia und ich wechselten einen Blick.
»Er hat recht«, seufzte ich. »Jonah wird länger leben, wenn er drinnen bleibt.«
»Aber das ist Freiheitsberaubung!«, rief sie. »Stell dir nur vor, wie er sich fühlen muss, wenn er niemals Gras unter seinen Pfoten spürt.«
Das schien eine weitere unserer Sri-Lanka-Streitereien zu werden.
»Wir führen ihn an der Leine spazieren«, sagte ich.
»Er hasst die Leine!«, gab Lydia zurück.
Ich suchte mit Lydia und Katharine erneut die Tierhandlung auf, wo wir einen Katzentunnel kauften, durch den Jonah flitzen konnte, einen Kratzbaum, Tischtennisbälle, die er durch ein Gewirr von Plastikrinnen schieben konnte (»für die geistige Entwicklung«), kleine Bälle mit Glöckchen darin, große Bälle mit Batterien, die auf mysteriöse Weise in Papiertüten herumrollen konnten, mit Katzenminze imprägnierte Spielzeugmäuse und einen ganzen Schwung Angelruten. Das Haus verwandelte sich in einen Katzenspielplatz.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil Jonah eine Wohnungskatze war, aber er liebte es, durch seinen Tunnel zu schießen und jeden anzufallen, der gerade arglos daran vorbeiging. In der Mitte des Tunnels war ein Loch, was für ein zusätzliches Überraschungsmoment sorgte. Katharine stellte fest, dass der Tunnel auch als Unterseeboot zu gebrauchen war. Wenn sie ihn mit Jonah an Bord durch die Diele zog, streckte er den Kopf aus dem Loch und genoss die vorbeiziehende Szenerie.
»Ich glaube, das war’s«, seufzte Lydia eines Tages und wickelte sich ihren neuen Schal um den Hals. »Mehr kann ich hier nicht
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