Kater mit Karma
ich Philip und Katharine zum Abschied küsste. Einen Moment lang dachte ich, sie würde mir überhaupt keinen Abschiedskuss geben wollen. Ich war schon im Begriff, mich umzudrehen und durch die Sperre zu gehen, als Lydia zu mir trat.
»Ich bin so stolz auf dich«, sagte sie und umarmte mich fest.
Lydias bedingungslose Unterstützung beschämte mich. Ich fühlte mich wie ein Schaf. Im Vergleich dazu war mein Verhalten, was ihre Aufenthalte in Sri Lanka anging, ziemlich unrühmlich gewesen.
Beim Anflug auf Wien, wo ich Werbung für die deutsche Ausgabe des Buchs machen sollte, wirbelte ein Strauss-Walzer in meinem Kopf herum. Ich verrenkte mir den Hals, um einen Blick auf den Wienerwald zu erhaschen. Jetzt im Oktober sah er kahl und öde aus und schien sich endlos über verschneite Hügel auszudehnen.
Martina, meine österreichische Verlegerin, hatte mir ganz genaue Anweisungen gemailt, wo ich am Wiener Flughafen ein Taxi fand. Nach der Zollabfertigung rechts, dann durch die Automatiktüren nach draußen, dort nach einem kleinen roten Häuschen Ausschau halten. Der Mann, der dort saß, würde mir ein Taxi besorgen.
Alles war genau so, wie sie es mir beschrieben hatte. Es ging nur noch einfacher und schneller. Ich wünschte, ich würde Deutsch sprechen. Es erschien mir nicht richtig, geradezu unhöflich, mich auf den fabelhaften Ruf zu verlassen, den die Bewohner deutschsprachiger Länder für ihr Englisch genießen. Der Taxifahrer und ich schwiegen, während im Radio Lady Gaga irgendwelche Anzüglichkeiten von sich gab. Als ich ihn fragte, was er von ihr halte, lieferte er eine professionelle Analyse dazu, wie sie künstlerisches Talent mit gefälligem Mainstream verbinde. Und das in perfektem Englisch.
Mary Poppins hätte sich in meinem Hotelzimmer wohl gefühlt. Ein Traum in Weiß, und alles so ordentlich und sauber. Ich verteilte den Inhalt meines Koffers auf Boden und Stühlen und sofort sah es mehr nach zu Hause aus.
Um dem Jetlag etwas entgegenzusetzen, besuchte ich das Mozarthaus gleich nebenan. Wie es heißt, befindet sich hier die einzige erhalten gebliebene Wohnung Mozarts in Wien, und es war einfach entzückend. Während ich durch die lichterfüllten Räume schritt, konnte ich geradezu sehen, wie das viel zu früh verstorbene Genie in einer seiner Brokatjacken durch den Flur eilte.
Seine bronzene Totenmaske war faszinierend. Offenbar war Mozart ein ausgesprochen gutaussehender Mann gewesen, und mit den aus der Stirn zurückgekämmten Haaren hatte er eine gewisse Ähnlichkeit mit Elvis.
In Cleo hatte ich über eine champagnertrinkende Freundin geschrieben. Offenbar ging deshalb jeder ausländische Verleger davon aus, dass ich nichts anderes trank, und das in rauen Mengen. Ich gab es auf, dagegen zu protestieren, wenn man mir um elf Uhr vormittags oder um drei Uhr nachmittags Champagner einschenkte.
In Martina fand ich eine Seelenverwandte. Sie besaß selbst zwei Katzen und sie hatte sich Satellitenaufnahmen von Wellington angesehen, um zu prüfen, ob die Beschreibungen im Buch damit übereinstimmten. Beim Abendessen erzählte sie mir, welches Ansehen Künstler und Autoren in Österreich und Deutschland genossen.
»Sie meinen, wie Rugbyspieler?«, fragte ich. Sie schien es nicht zu verstehen. Ich sollte wirklich Deutsch lernen, dachte ich. Oder vielleicht nach Wien ziehen.
Als ich an einem Abend auf dem Weg zu einer Lesung in der Dunkelheit über das Kopfsteinpflaster stakste, stellte ich beunruhigt fest, dass ich verfolgt wurde – nicht nur von einer Gestalt, sondern gleich von mehreren. Wenn ich meine Schritte beschleunigte, wurden sie schneller, ging ich langsamer, verringerten sie ihr Tempo ebenfalls. Ich konnte sie atmen hören. Schließlich blieb ich stehen und drehte mich um, um meine Verfolger zur Rede zu stellen. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als sie sich mir näherten, um mich auszurauben oder etwas noch Schlimmeres zu tun.
»Mrs. Brown?«, sagte eine höfliche Stimme. »Ich finde Ihr Buch einfach wunderbar. Könnte ich bitte ein Autogramm haben?«
In einem zauberhaften Raum, in dem Mozart oft gespielt hatte, aus meinen Buch vorzulesen, war sicher eine der größten Ehren, die mir in meinem Leben bisher zuteilgeworden sind. Ich konnte schwer einschätzen, was die Zuhörer von der grobknochigen Autorin vom anderen Ende der Welt hielten. Wie Martina mir später zu meiner Verblüffung berichtete, meinten einige, ich hätte wie eine Königin gewirkt. Vielleicht hatte es etwas mit der
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